Die Performance „Bathtube Memory Project“ im Muffatwerk

Für die Performance „I like America and America likes me“ ließ sich Joseph Beuys 1947 nach New York fliegen und dort in Filz einwickeln, um anschließend in einer Galerie mit einem Kojoten zu sprechen. Marina Ambramovic schwieg, auf einem Stuhl sitzend, in „The Artist is present“ während der Öffnungszeiten eines Museums die Besucher an, von denen manche, so wird überliefert, in Tränen ausbrachen.
Extreme Beispiele des Genres, gewiss. Aber auch eine Warnung an Unberufene, den Begriff „Performance“ nicht zu verunehren. Sein Missbrauch für dramaturgisch Halbgares und erst vom Zuschauer zu sortierende Assoziationen hat dazu geführt, dass sogar die Verantwortlichen der Münchener Biennale allergisch auf das Wort „performativ“ reagieren und lieber von „Partituren“ sprechen. Obwohl im Ernst niemand bestreiten dürfte, dass es sich bei einem Großteil der bei diesem Festival gezeigten Aufführungen um Performances handelt.
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Das „Bathtube Memory Project“ von Eleftherios Veniadis, Eleni Efthymiou, Leonidas Giannakopoulos, Natasa Efstathiadi und Vassilis Selimas ist ein gelungenes Beispiel. Es bringt das Festival-Thema „Privatsache“ auf den Punkt: Gespielt wird nur für eine einzelne Person. Die liegt während der 15-minütigen Aufführung im Studio des Muffatwerks in der Wanne. Diese Spielsituation bringt das Performance-Kriterium der Unwiederholbarkeit auf den Punkt: Jeder erlebt die Aufführung individuell. Das Erlebnis kann mit niemandem geteilt werden. Womöglich passiert auch nicht in allen Aufführungen das Gleiche.
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Wie bei Beuys oder Abramovic spielt auch der Körper mit. Hier ist es der Körper des Zuschauers, den ein Helfer vom schwarz ausgeschlagenen Umkleideraum zum weißen Textilzylinder führt, in dessen Mitte eine luxuriöse Badewanne mit Löwenfüßen steht. Auf den Zylinder werden animierte Grafiken projiziert, die an Kinderbücher erinnern. Draußen spielt eine nur schemenhaft erkennbare Gambistin. Eine Sängerin bittet darum, sich in die vorgeburtliche Wärme im Uterus und kindliche Badezeiten zurückzuversetzen.
Siegmund Freud und die Psychoanalyse lassen grüßen. Später kommt die Sängerin in den Zylinder und klopft sich mit einer Zahnbürste an die Wange, um einen daran zu ermahnen, das abendliche Zähneputzen nicht zu vergessen. Eine fast unangenehme Nähe entsteht, dann zieht sie den Stöpsel. Im Umkleideraum kann man, sofern dazu aufgefordert, frühkindliche Eindrücke in ein Buch eintragen.
Natürlich führen auch Esoteriker und Wellnesscenter die temporäre Rückkehr in den Mutterleib im Angebot. Dann aber bestenfalls mit Fahrstuhlmusik. An das Baden bei der Biennale wird man sich womöglich noch erinnern, wenn einem andere Uraufführungen längst entfallen sind. Und das ist bei einer Performance, die das Wort „Memory“ im Titel führt, ein ästhetischer Mehrwert, der nicht zu unterschätzen ist.
Noch bis 12. Juni im Muffatwerk. Infos unter www.muenchenerbiennale.de