Die Oper "Einladung zur Enthauptung" von Leon Zmelty
Der Komponist studiert an der Münchner Hochschule für Musik und Theater, die Aufführung in der Reaktorhalle ist ein Projekt der Bayerischen Theaterakademie August Everding. Leon Zmelty hat sich in enger Zusammenarbeit mit der Regisseurin Maria Chagina dazu entschlossen, einen frühen Roman von Vladimir Nabokov zu vertonen, in dem der Gefangene eines obskuren totalitären Regimes menschenfreundlich von seinem Kopf erlöst werden soll (Libretto: Sören Sarbeck).
Da sind Ähnlichkeiten zur Gegenwart unvermeidlich, ohne dass sie von der Aufführung bewusst gesucht würden. "Einladung zur Enthauptung" neigt ein wenig zu Sprechtheater mit Musik. Aber das hat den Vorzug der Verständlichkeit, den Zmeltys Mut zur Kürze noch unterstreicht. Und weil das kleine Orchester aus Studierenden der Hochschule erst nach einiger Zeit auftritt, werden auch die lähmenden Zeremonien am Beginn einer Oper vermieden.
Schwerpunkt bei der Groteske
Dann beginnt die Handlung episch mit einem Roman-Zitat. Was absolut vertretbar ist, weil sonst der Fehler vermieden wird, zu viel zu erzählen und zu wenig zu zeigen.
Maria Chaginas Inszenierung nutzt klug die verschiedenen Ebenen der Reaktorhalle. Zmelty greift geschickt auf die vielfältigen Ressourcen der Hochschule und der Theaterakademie zurück. Die Schauspieler Anouk Warter und David Stancu teilen sich die Hauptfigur. Gesprochene Passagen untermalt eine Studierende der Zither-Klasse. Der sich anfangs als Freund des Verurteilten gebende groteske Henker (Pieter de Praetere) ist ein Counter aus der Gesangsklasse. Und alles wirkt theatergerecht auf die Möglichkeiten der jeweiligen Sängerinnen und Sänger hin entworfen.

Hinrichtung als Spektakel
Der Schwerpunkt von Zmeltys Interesse liegt beim Grotesk-Satirischen. Das ist selten und ungewöhnlich. Die Musik gibt sich theatergerecht effektvoll polystilistisch: Die Frau des Gefangenen singt ein melancholisches Lied, das auch vom späten Richard Strauss stammen könnte. Es gibt echte oder so gut wie echt erfundene russische Folklore mit Akkordeon-Begleitung, einen (etwas überhudelten) Song im Stil von Kurt Weill und eine noch überdrehtere Parodie von Aram Chatschaturjans unverwüstlichem "Säbeltanz".
Die öffentliche Hinrichtung weitet sich zum absurden Spektakel. Und während der Zuschauer noch darüber sinniert, ob das Gesehene eine groteske Realität oder doch einen Alptraum im Kopf des Gefangenen darstellen soll, reißt einen das Nawalny-Interview in die Gegenwart.
Natürlich ist die bestürzende Aktualität hier ein Zufall. Aber Zmelty hat, das darf nach dieser Uraufführung ohne Risiko behauptet werden, ein starkes Talent für Theater mit Musik. Bei dieser "Einladung zur Enthauptung" gehörte das Glück den Tüchtigen - und damit sind alle Beteiligten vor und hinter der Bühne und bei der Erarbeitung dieses wirklich aufregenden Abends gemeint.
Noch einmal am Samstag, 19.30 Uhr und am Sonntag um 18 Uhr in der Reaktorhalle, Luisenstraße 37a
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