Die Oper "Arabische Nacht" in der Reaktorhalle

Die Bayerische Theaterakademie zeigt Christian Josts Oper „Arabische Nacht“ in der Reaktorhalle an der Luisenstraße
Nach der dritten oder vierten Oper der Münchener Biennale für Neues Musiktheater mit kostümierten Symbolen oder der Vertonung hundertjähriger Avantgarde-Manifeste kommt bei vielen Beobachtern regelmäßig ein Wunsch auf: Der Komponist möge sich mal mit der Gegenwart normaler Menschen befassen.
Der Berliner Komponist Christian Jost hat uns den Gefallen getan. Keine zwei Wochen nach dem städtischen Musiktheater-Festival zeigt die Bayerische Theaterakademie nun seine 2008 in Essen uraufgeführte „Arabische Nacht“ in der Reaktorhalle an der Luisenstraße.
Diese Kammeroper nach einem Theaterstück von Roland Schimmelpfennig erzählt von Liebeswirren in einem anonymen Großstadt-Hochhaus – mit einem Hauch von Sommernachtstraum und geträumtem Fantasie-Orient. Das ist ein starker Opernstoff, gewiss. Aber schon nach wenigen Takten kommen einem Zweifel: Kann man wirklich eine gestörte Hauptwasserleitung und den Sicherungskasten in einem defekten Lift besingen?
Wahrscheinlich schon. Aberderlei könnte auch gesprochen werden oder wenigstens anders klingen als ein Liebesgeständnis. Und das tut es bei Jost kaum. Dabei ist seine Musik auf eine angenehm unkonventionelle Art postromantisch. Knapp 20 Musiker des Gärtnerplatz-Orchesters sitzen im Graben (Musikalische Leitung: Eva Pons). Die reizvolle Verbindung aus Marimbaphon und Bassklarinette sorgt für einen satten, dunklen Klang. Dann funkelt das Klavier mit den Holzbläsern. Laut Programmheft gibt es ein vom Flügelhorn gespieltes Thema der Verführung und wie in einem Musikdrama von Richard Wagner sogar ein Erlösungsmotiv. Die wiederkehrenden Themen lassen sich auch beim ersten Hören erkennen.
Ein Hausmeister kümmert sich um die Wasserversorgung
Ob am Ende der Hausmeister und die rätselhafte Franziska zueinander finden, lässt die Inszenierung von Balázs Kovalik offen. Das Publikum sitzt auf der Bühne. Auf die steil gestufte Zuschauer-Tribüne der Reaktorhalle hat Angelika Höckner eine eindrucksvolle Stadtlandschaft mit Mini-Hochhäusern gebaut. Gelegentlich schaut eine Video-Kamera hinter die Fenster und entdeckt Barbie-Puppenstuben. Die Fantasien des Wüstendornröschens Franziska entwickeln sich ganz zwanglos aus dem fantastischen Realismus der Inszenierung.
Irakli Atanelishvili singt den Hausmeister Hans Lomeier mit einem warmen, aufs Heldische schielenden Bass. Nur sein Deutsch müsste deutlicher werden. Clara Corinna Scheurle macht aus der eifersüchtigen Fatima die sanfte Parodie einer Femme fatale: Die Mezzosopranistin ist eine echte Singschauspielerin mit einer prächtigen Stimme. Sarah Aristidou meistert als Franziska die große Solo-Szene im Zentrum der Oper mit Dramatik und sicheren Koloraturen. Auch die beiden Tenöre Stefan Sbonnik und Jaeil Kim sind außerordentlich gut: Ein großstädtisches Dreispartentheater könnte diese Oper nicht besser besetzen.
Es gibt nur ein Problem: die Verständlichkeit des Texts. Leider ist die Aufführung nicht übertitelt. Wer Schimmelpfennigs Stück nicht kennt oder vorher gelesen hat, könnte im Lauf der 90 Minuten das Interesse an den Figuren verlieren. Die Sänger der Aufführung trifft da keine Schuld. Es liegt am Komponisten, der das Drama mit Haut und Haaren vertont hat. Die Schlüsselstellen versteht man zwar, aber es ist eine Frage der Wortmasse.
Und so landen wir wieder beim Problem fast aller modernen Opern: dem Text. Auch wenn Jost hier im besten Sinn gute Theatermusik komponiert hat.
Wieder am 17. und 18 Juni, 20 Uhr, in der Reaktorhalle, Luisenstraße 37a