Die Oper "Arabella" von Richard Strauss mit Anja Harteros
Ihr Gesicht ist so ausdrucksvoll wie das einer Stummfilmschauspielerin. Fast weiß geschminkt, umrandet von einer schwarzen Lockenmähne, großer Mund, große Augen, fesselt Anja Harteros schon durch ihren bloßen Anblick.
Andreas Dresen kommt selbst vom Film, und er stellt diesen impliziten Bezug zwischen Mimik und bildhafter Theatralik stimmig her. Seine Inszenierung von Richard Strauss’ lyrischer Komödie „Arabella“, die – selten genug – eine rundum umjubelte Premiere erlebte, geht von den Sängern und ihren Interaktionen aus, anstatt ein selbstgebasteltes Konzept über das Stück zu stülpen.
Die berüchtigte Operettenhaftigkeit aufs Miniumum reduziert
Wozu brauche ich aufgesetzte Gags, wenn ich eine Anja Harteros habe? Dieses Motto frei nach Wieland Wagner könnte als Motto über dieser hochintelligenten Regiearbeit stehen. Ohne dabei je in stummfilmartige Übertreibung zu verfallen, hat es Dresen vermocht, zusammen mit den Sängern die Szenen rein schauspielerisch zu verdeutlichen.
Gierig in sich eingeknickt zählt Waldner das frische Geld, doch der balsamische Wiener Bass Kurt Rydls verleiht der Figur menschliche Größe. Die Großmannssucht der Gräfin hingegen zeigt Risse, wie Gesang und Spiel Doris Soffels in Hochdramatik offenbaren. Und wenn Zdenka, zur Frau geworden, unsicher die Treppe hinunterschleicht, ist ein berührendes Bild dieser Figur gegeben. Hanna-Elisabeth Müller singt die Hosenrolle mit einem herrlich leicht blühenden Sopran, der dabei so kontrolliert ist, dass jede Silbe des Sprachkunstwerkes Hofmannsthals verständlich wird. Ihre Traurigkeit ist so authentisch wie Matteos Verzweiflung. Der vorzügliche Tenor Joseph Kaiser singt mit fast heldischer Kraft einen unglücklich Liebenden, dem man einen Selbstmord zutrauen könnte, der aber auch das Potenzial hätte, Mandryka gefährlich zu werden. So wird das zweite Liebespaar hier frappierend ernst angelegt und die berüchtigte Operettenhaftigkeit der „Arabella“ auf ein erträgliches Minimum reduziert.
Meisterhaft dirigiert
Mit ihrer teilweisen Orientierung an der älteren wie zeitgenössischen Operette hatte das Gespann Hofmannsthal/Strauss dem eigenen Werk keinen Gefallen getan. Die dramaturgischen Anleihen an die „Leichte Kunst“ sind unübersehbar und vieldiskutiert, besonders die künstliche Schürzung des dramatischen Knotens im 2. Akt durch ein banales Missverständnis. Doch sowohl die lyrisch-geistige wie auch die kompositorische Komplexität der „Arabella“ lassen keine Vergleiche etwa zu den Stücken Franz Léhars zu.
Philippe Jordan am Pult des Staatsorchesters macht das meisterhaft deutlich. Vor allem legt er die Juwelen der Partitur offen, ohne dabei je die großen Bögen zu vernachlässigen.
In dem wunderbar subtil realisierten Duett „Aber der Richtige“ etwa schärfen die leisen Trompeten jenen Kontrapunkt, den Strauss in typischer Cleverness gesetzt hatte, um gerade nicht in Operettenseligkeit zu verfallen. Das ist ein Kunststück Jordans: der Musik Leichtigkeit zu lassen, ohne in Seichtigkeit zu verfallen.
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Eher als dieser Verfallsform der Operette steht die „Arabella“, wie Andreas Dresen so klug wie unangestrengt herausarbeitet, der zur Uraufführungszeit 1933 noch relativ jungen Filmkunst nahe. Es ist eine Königsidee, den 1. Akt in albtraumhaft schiefen Bauten zu situieren, die mehr vom Expressionismus des Irrenhauses Dr. Caligaris haben als von einem Wiener Stadthotel (Bühne: Mathias Fischer-Dieskau). Anja Harteros erscheint dort in Hosen und mit Fliegerjacke (Kostüme: Sabine Greunig), als ob sie wie Katharine Hepburn von einem Flug zurückkäme. Die große Sause des 2. Akts dann steigt passenderweise auf einer Treppe wie aus „Sunset Boulevard“, die Fiakermilli (etwas schrill: Eir Inderhaug) gibt sich als Latex-Domina, und der enttäuschte Mandryka kann den Fasching als erotisch eher brave Orgie imaginieren.
Die Harteros: Ein wunderbarer Mensch legt seine Seele offen
Wie sich Arabella und Mandryka schließlich finden, ist poetisch inszeniert. Schon das große Duett „Und du wirst mein Gebieter sein“ wurde angenehm still gehalten, nicht zuletzt, weil Thomas J. Mayer den Mandryka von vornherein sensibel anlegt, eben nur als einen „halben Bauern“, und auf jede textliche wie melodische Nuance gleichermaßen achtet.
Im Finale umkreisen sich die Liebenden lange, der betörende Sopran der Harteros wird in der Höhe immer zarter, ihr süßes Hauchen ist von höchstem Reiz: Hier legt ein wunderbarer Mensch seine Seele offen und kann so eine echte Liebesbeziehung eingehen. Wenn sie ihrem Verlobten – ganz emanzipierte Frau – als Schlussgag das Glas Wasser keck ins Gesicht schüttet, wird Spannung komisch gelöst, ohne die leichte Melancholie zu zerstören, die sich hier zart ausbreiten darf.
In dieser Inszenierung werden die Figuren als Menschen geführt und ein oft verkanntes Meisterwerk gehoben: Das ist Regietheater im besten Sinne und höchstes Musiktheater gleichermaßen.
Staatsoper, wieder am 11., 14., 17. Juli, Livestream auf www.staatsoper.tv am 11. Juli