Die "Mandela Trilogy" mit dem Ensemble der Cape Town Opera

Heros und Hüftschwung: Holzschnitthaft, aber trotzdem ein bejubelter Glücksfall - das Gastspiel der Cape Town Opera aus dem südafrikanischen Kapstadt mit der „Mandela Trilogy“ im Deutschen Theater
von  Robert Braunmüller

Bühnenpräsenz – ein Schlagwort aus der Musik- und Theaterkritik. Es beschreibt einen Zauber, der sich erleben, aber nur ganz schwer in Worte fassen lässt. Bei der „Mandela Trilogy“ im Deutschen Theater ist das Phänomen zum Greifen nah: in der gläubigen Überzeugung, mit der die überwiegend farbigen Darsteller die Geschichte des südafrikanischen Nationalhelden und Anti-Apartheid-Kämpfers erzählen.

Und das geschieht aus einer Rückblende: Am Beginn sitzt Nelson Mandela in seiner Zelle auf Robben Island. Ein Bett, ein Tischchen, Gitterfenster: 18 Jahre verbrachte er hier. Er erinnert sich an seine Jugend und die Anfänge des weitgehend gewaltlosen Kampfes des ANC. Natürlich endet die Oper zweieinhalb Stunden später 1990 mit seinem Appell zur Versöhnung vom Balkon der City Hall in Kapstadt.

Hoch ambitioniert - und bejubelt

Das leidenschaftliche Feuer der überwiegend farbigen Sänger lässt alle möglichen Einwände im Nichts vergehen: Die Geschichte wird subtil erzählt wie eine Moritat, und im ersten Akt werden Stammestänze vorgeführt, die grauslige Afrika-Klischees bedienen. Und die Musik könnte hier notfalls bei den Karl-May-Festspielen eine Zweitverwendung finden, so tief haben da die inszenierenden und komponierenden weißen Männer in die exotische Kiste gegriffen. Und die farbige Choreografin hat auch Schlimmstes nicht verhindert.

Der dreifache Mandela (Thato Machona, Aubrey Poo, Aubrey Lodewyk) wird als zäher, kluger Kerl charakterisiert. Vermenschlicht wird er durch den Verbrauch an Frauen: Da ist die Geliebte Dolly (Zolina Ngjane), die er neben der ersten Ehefrau Evelyn hat. Er serviert sie knapp mit „It’s over“ ab, um die viel jüngere Winnie (Siphamandla Yakupa) zu heiraten, deren problematische Seiten nicht verschwiegen werden.

Den ersten und dritten Akt komponierte Péter Louis van Dijk: die Musik klingt wie Janácek plus Minimal Music, nachgesüßt mit einem Schöpflöffel Verismo, wenn Mandelas Mutter (Tina Mene) mit üppigem Körper und kraftvollem Hüftschwung als zweite Jessye Norman die Abreise ihres Sohnes beklagt. Der süffige Mittelteil im Big-Band-Sound stammt vom Amerikaner Mike Campbell.
Die Sänger der Cape Town Opera prunken mit üppigem Material, das der dezenten Verstärkung nicht bedurft hätte. Im Graben sitzen die Münchner Symphoniker – ein Garant für vielseitige musikalische Solidität. „Mandela“ ist eine moderne Volksoper mit mitreißenden Chorszenen. Wem die „West Side Story“ gefällt, wird auch hier nicht enttäuscht werden.

Die Aufführung ist für das Deutsche Theater, was die „Soldaten“ für die Staatsoper bedeuten: ein hoch ambitionierter, geglückter Kraftakt. Und so blieben stehende Ovationen nicht aus.

Bis 15. Juni, Mi bis Sa und Mo 20, So 19 Uhr, Karten 24 bis 74 Euro plus Geb., Telefon 55 23 44 44

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