"Die lustigen Weiber von Windsor", inszeniert von Brigitte Fassbaender
Mit einem vergleichsweise moderaten Fettwanst über dem Gürtel steht Levente Páll auf der Bühne des Gärtnerplatztheaters und stößt mit "Achtung, Herschauen!"-Geste den Finger nach oben. Malerischer als er hat wohl noch keiner einen randvollen Bierkrug auf Ex ausgesoffen als dieser deutschsprachige Sir John Falstaff. Mehrmals.
Zeichentrickbunte Ausstattung
Páll genießt diese dankbare Rolle mit seinem echten, prachtvoll parlierenden Bass, gibt sich komisch gravitätisch, lässt sich gleich zweimal in Folge gutmütig ausschmieren und orgelt das tiefe E in seiner Glanznummer "Als Bübchen klein an der Mutter Brust" überzeugend.

Das gibt einen verdienten Szenenapplaus und hörbare Heiterkeit im Publikum. So richtig lustig ist es aber nicht, was zu einem Teil am Stück liegt. Ausgehend von einem schwerfälligen Libretto, konnte sich der Komponist Otto Nicolai, als versierter Dirigent übrigens Urvater der Wiener Philharmoniker, in seiner komisch-fantastischen Oper "Die lustigen Weiber von Windsor" nicht so recht entscheiden, ob er den Shakespeare-Stoff komödiantisch oder lyrisch-zauberisch anlegen sollte.
Im Kampf gegen den Biedersinn
Brigitte Fassbaender ist als ehemalige Sängerin und erfahrene Regisseurin eine eingefleischte Theaterpraktikerin, doch gegen den Biedersinn der gleich dreimal in Serie scheiternden amourösen Abenteuer des adipösen Möchtegern-Don Juans kann auch sie wenig ausrichten.
Eine gute Entscheidung war, die Künstlichkeit dieses frühromantisch-deutschen Windsors mit einer zeichentrickbunten Ausstattung zu feiern.
Das als Ganzes hervorragende Ensemble ist phantasievoll bis phantastisch gekleidet. Es bewegt sich in freundlich-harmonischen Bauten, auf offenen Galerien und zwischen lauschigen Gartenmauern (Bühne und Kostüme: Dietrich von Grebmer).
Zudem hat Chefdirigent Rubén Dubrovsky ein Händchen für die an sich exzellente Musik. Den zündenden Strettas hört man die Italienerfahrung Otto Nicolais an, für naturandächtige Momente wie den herzerwärmenden Mondaufgangschor oder die schönen Tenor-Kantilenen des Fenton von Gyula Rab hat er Mut und Kraft zu ruhigen Tempi. Im Graben kichern die Holzbläser ihre Soli so lustvoll heraus und schmelzen die Hornmelodien so fein dahin, als ob diese hochoriginelle Partitur dem Gärtnerplatzorchester auf den Leib geschrieben worden wäre.
Vereinte Weiblichkeit
Die gesprochenen Texte sind's, die aus den komischen Zupitzungen immer wieder die Luft herauslassen. Kürzere Dialoge, ein höheres Sprechtempo, vor allem ein besseres Timing, könnten helfen; die angestaubten Gags wie die Polonaise des Ensembles im zweiten Finale, der als Mond aufgehende Shakespeare-Kopf, der am Schluss eher linkisch die Zunge rausstreckt, und eine Schwulen-Hochzeit im Finalbild tun es eher nicht.
Timos Sirlantzis mit seinem gut sitzenden Bassbariton hat als Herr Reich leider nicht genug zu tun, Matija Meic beherrscht als Herr Fluth die Kunst, belcantistisch zu schäumen; dass gerade bei den Fluths die Eifersucht zur Dauer-Ehekrise führt, bleibt oberflächlich, ähnlich, wie der im Finalbild angedeutete flotte Dreier zwischen Falstaff und den Gattinnen - eigentlich eine interessante, ausbaufähige Idee - als bloßer Klamauk verschenkt wird.

Die wahre Komödie spielt sich zwischen den titelgebenden lustigen Weibern ab. Das Lächeln von Andreja Zidaric als Anna ist so lieblich wie ihr Sopran, Anna-Katharina Tonauer ist als Frau Reich in dieser Gärtnerplatz-Produktion einmal nicht in einer Hosenrolle zu erleben und verbindet Beweglichkeit mit beeindruckender Tiefenstärke. Jennifer O'Loughlin als Frau Fluth schließlich scheint mit jeder Koloratur weiter in die Höhe zu entschwinden: bis zu einem elektrisierenden hohen E. Gegen einen solchen Stimmumfang gleichsam vereinter Weiblichkeit hat selbst ein so prunkvoll unmoralischer Sir John wie Levente Páll selbst mit seinem tiefen E keine Chance.
Weitere Vorstellungen am 5.,12. Mai und 2., 15. Juni (18 Uhr) bzw. am 10., 15., 18. und 31. Mai und 5., 7., 10. und 20. Juni (19.30 Uhr), Karten online und unter Telefon 2185 1960
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