„Die letzte Karawanserei“ von Ariane Mnouchkine im Metropoltheater

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Mathias Hejny |
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Marc-Philipp Kochendörfer, Lilly Forgách.
Jean-Marc Turmes Marc-Philipp Kochendörfer, Lilly Forgách.

Theaterabenteuer: Jochen Schölch inszeniert „Die letzte Karawanserei“ von Ariane Mnouchkine im Metropoltheater

Überraschend großes Kino, zumindest für die Verhältnisse an der Floriansmühlstraße, wo sonst die Magie des leeren Raums herrscht: In der ersten Szene wird auf einen halbtransparenten Vorhang ein wütend schäumender Fluss projiziert, über den Menschen sich zu hangeln versuchen. Wen nicht die Gischt verschlingt, der wird vom gegenüberliegenden Ufer aus beschossen.

Nach der Pause wogt ein Meer, und hinter dem Vorhang schaukelt bedenklich ein Boot voller Flüchtlinge, über dem sich unter ohrenbetäubendem Lärm eines Hubschraubers ein vermeintlicher Retter abseilt. Mehr, als ein Fläschchen Mineralwasser zu reichen, kann er allerdings nicht tun.

Regisseur Jochen Schölch kann das technisch aufwändige Spektakel ebenso wie die szenische Miniatur. Das Ergebnis im Metropoltheater ist ein knapp drei Stunden währendes Theaterabenteuer über die Abgründe des Menschseins hinweg, das ebenso betört wie bestürzt, tiefe Emotion wagt und doch kitschfrei bleibt. All das wird von einem zehnköpfigen Ensemble in fast 40 Rollen gnadenlos präzise auf den Punkt gespielt.

„Die letzte Karawanserei“ ist ein Projekt von Ariane Mnouchkine, das 2003 und in den folgenden Jahren aus authentischem Material entstand. Ihr Théâtre du Soleil in Paris war nicht nur eine multiethnische Kulturinstitution, sondern auch so etwas wie eine Karawanserei, eine Raststätte, in der Vertriebene und Fliehende neue Kräfte sammeln konnten für den Rest ihrer Odyssee.

Aus den vielen Geschichten, die sie mitbrachten, und dem, was die Schauspieler darüber improvisierten, wob die Theatermacherin einen szenischen Flickenteppich, dessen Ausbreitung je nach Version sechs bis sieben Stunden dauern konnte.

Ganz allmählich werden aus den erzählerischen Bruchstücken entsetzlich plastische Bilder berührender Schicksale mit Schauplätzen in Afghanistan oder im Irak, in Kabul, Paris oder London, in Aufnahmelagern in Australien und Frankreich. Hier wird eine mittellose Mutter die Zuhälterin ihrer Tochter, dort findet eine zarte Liebesgeschichte unter dem Taliban-Terror ein Ende von unfassbarer Grausamkeit.

An irgendeinem gemeinsam und erfolgreich überwundenen Zaun bricht plötzlich unter zwei Osteuropäerinnen der jahrhundertealte Hass zwischen Russen und Tschetschenen auf.

Nach dem Theaterbesuch lehrt die aktuelle Nachrichtenlage: Die Karawane des Elends ist noch immer unterwegs und wird immer länger.

Metropoltheater, Samstag, Sonntag, 7., 13., 14., 17., 19., 21., 25., 26., 27., 29. Juni, jeweils 20 Uhr, sonntags 19 Uhr, Karten unter Telefon 32195533

 

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