Die Kraft von Traum und Theaterzauber
Don Quijote, der "Ritter von der traurigen Gestalt", trabte 2004 in Gestalt von Bruno Jonas über die Bühne des Gärtnerplatztheaters. Jetzt reitet ein beachtlicher Nachfolger in der Reithalle.
Echte Werte, der Sieg von Anstand, Wahrheit und Mitgefühl, das Festhalten an diesem "unmöglichen Traum" - ist das nicht "uncool"? Schon 1605, im Bestsellerroman von Miguel Cervantes, wird der scheinbar aus seiner Zeit gefallene Ritter Don Quijote verlacht, verspottet und gedemütigt. Dennoch rappelt er sich jedes Mal wieder auf und folgt dem Stern der Wahrhaftigkeit.
Auf der Premierenfeier forderte auch Intendant Köpplinger ein "Dennoch!" - trotz "Ungarn", "Russland" und der Hoffnungslosigkeit im südeuropäischen Ländergürtel. Deshalb beginnt seine Inszenierung des Musicals von Mitch Leigh, Dale Wasserman und Joe Darion im Hier und Jetzt, auf offener, quadratischer Spielfläche zwischen zwei Tribünenblöcken: ein trister Platz in irgendeiner Vorstadt, brennende Abfalltonnen, alte Bänke, ein Holztisch. Es kann auch eine zum Gefängnis umfunktionierte Tiefgarage sein (Bühne: Thomas Stingl), in der immer wieder hünenhafte "Security"-Schläger im Dienste des "Staates" und eines "Gerichts" auftauchen. Dort wird - dies ist die Rahmenhandlung des Musicals - Cervantes mit Assistent Sancho eingeliefert. Die Attacken der rüden Insassen wehrt er - wie Scheherazade mit ihren "1001 Märchen" - ab, indem er sich aus seinem Koffer eine Rüstung überstülpt. Dann spielt er ihnen Quijotes Kampf gegen die Windmühlen, die Verklärung einer Schenke zum Schloss, die Verehrung der Wirtshaushure als "Dame Dulcinea" und weitere "Heldentaten" vor.
All das gelingt in zwei pausenlosen Stunden, mal temporeich, mal traumhaft ruhig. Köpplinger und sein Team zaubern mit dem ganzen Reichtum des "armen Theaters": Pferd und Esel aus rollbaren Metallböcken, Decken und Kopfmasken; eine Leiter und auf einer Holzstange gedrehte Bretter als Windmühle undundund… Da spielen die 16 "Insassen" in bruchloser Mischung aus Solisten und Statisten in über 30 Rollen turbulent und faszinierend mit.
Auch wenn Dirigent Andreas Kowalewitz, seine 15 Musiker auf der Hinterbühne und die Tontechniker noch den dumpfen Sound verbessern müssen, wenn Carin Filipcics Dulcinea und Peter Lesiaks Sancho noch gesanglich zulegen sollten: der Preis des Abends geht an den herrlich unzeitgemässen, aber utopisch mitreissenden Quijote von Erwin Windegger. Inmitten von "Bankstern" und "Polit-Muftis" brauchen wir solche Gegenentwürfe.
Bis 19. 10., 19.30 Uhr, Reithalle, Heßstrasse 132, 17 bis 55 Euro, Tel. 21 85 19 60
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