Die Debatte im Kulturausschuss des Stadtrats
Die Auslastung ist nicht eben berauschend. Katja Bürkle, Anna Drexler und Brigitte Hobmeier verlassen das Ensemble. Julien Gosselin scheiterte am Houellebecq-Projekt „Plattform/Unterwerfung“ und der Hausregisseur Nicolas Stemann konnte es auch nicht retten.
All dies kam Anfang November zusammen. Die einen halten es für eine Krise, die anderen für den ganz normalen Sand im Getriebe des Theaterbetriebs. Am Sonntag verteidigte sich Intendant Matthias Lilienthal bei einer Podiumsdiskussion, gestern beriet der Kulturausschuss des Stadtrats auf Antrag der CSU-Fraktion über die Vorgänge.
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Lilienthal verteidigte in der von Bürgermeister Josef Schmid geleiteten Debatte die Besucherzahlen: Sie liegen im statistischen Mittel der letzten Jahre. Der Einbruch von 18 Prozent bei den Abos sei bedauerlich, man habe mit einer Flat-rate und anderen Maßnahmen gegengesteuert. Die Einnahmen lägen im Geschäftsplan, voriges Jahr sei ein Überschuss erzielt worden. Kulturreferent Hans-Georg Küppers lobte die Einwerbung von Drittmitteln durch Lilienthal – etwa bei der Bundeskulturstiftung.
Richard Quaas von der CSU bedauerte die „Abstimmung mit den Füßen“ älterer Abonnenten. Er wünscht sich einen ausgewogenen Spielplan für die gesamte Stadtgesellschaft. Julia Schönfeld-Knor (SPD) fühlte sich an die wilden Wiener Debatten um Claus Peymann am Burgtheater erinnert. Sie freute sich darüber, dass in München endlich wieder über Theater gestritten werde.
Florian Roth (Grüne/Rosa Liste) zitierte alte Presseberichte vom Anfang der Ära Frank Baumbauer. Er wünschte sich mehr Dialog mit dem Intendanten. Marian Offman (CSU) schlug eine Befragung der Abonnenten vor, Wolfgang Heubisch (FDP) mahnte zur Gelassenheit und erinnerte an die Schwierigkeiten nach der Ablösung von Dieter Dorn durch Martin Ku(s)ej am Residenztheater. Die Kündigung von 18 Prozent bedeute, dass 82 Prozent der Abonnenten mit dem Kurs einverstanden seien.
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Die ästhetische Debatte über den (Schein-)Gegensatz zwischen Schauspielern und Performern ist kein Fall für das Rathaus. Alle Fraktionen im Kulturausschuss begrüßen bei mancher Kritik im Detail die Öffnung des Theaters für ein jüngeres Publikum und das Engagement für Flüchtlinge durch den 2013 vom Stadtrat einstimmig berufenen Intendanten.
Eine Befragung der Besucher sehen die Stadträte eher kritisch: Eine Ausrichtung des Spielplans nach dem gelben Reclamheft will niemand. Die Vertreter der CSU wünschen sich allerdings etwas mehr Ausgewogenheit. Sie beruhigte Lilienthal mit den kommenden Klassiker-Premieren: Shakespeares „Hamlet“ und Tschechows „Kirschgarten“.
Wenn in den nächsten Monaten kein weiterer Regisseur abreist, dürfte Lilienthal die Debatte überstanden haben. Mehr noch: Er wird letztlich davon profitieren. Sein Theater ist im Gespräch. Die Münchner Toleranz hat ihn nicht nur in ihr großes Herz geschlossen. Er ist endlich ein bisschen umstritten. Und das möchte er doch eigentlich am liebsten.