Die AZ-Kritik zu „Dylan – The Times They Are A-Changin’“
Vor 13 Jahren las Bob Dylan in einer Lokalzeitung einen Text über sich. Der fasste seine Biografie in ein paar mickrigen Stakkato-Sätzen zusammen: die Stimme der Gegenkultur der 1960er sei er gewesen, der „Typ, der Folk und Rock in ein Bett gesteckt hat“ und dann ein paar Jahre im Drogennebel abtauchte. Diese Kurzversion seines Lebens fand Dylan so (aber)witzig, dass er sich künftig bei Konzerten in ihrem Wortlaut ankündigen ließ.
Eine andere Version seines Lebens läuft im Deutschen Theater. Und über sie würde Dylan womöglich auch lachen: Heiner Kondschaks Revue „Dylan – The Times They Are A-Changin’“ betet ikonische Momente runter: Dylans Besuch am Krankenbett seines Idols Woody Guthrie, das Verfassen von „Blowin’ in the Wind“, den Eklat beim Newport Folk Festival 1965, als Dylan mit Rock’n’Roll-Band die Folkies gegen sich aufbrachte, den „Judas“-Ruf eines enttäuschten Fans ein Jahr später.
Da ist die Gefahr groß, einen Comic zu liefern. Doch Kondschak erzählt Dylans Leben nicht hagiographisch und somit albern, sondern augenzwinkernd und voller Pointen. Und alles wirkt wenig holzschnittartig, weil er die Episoden aus Dylans Leben geschickt in ein Kaleidoskop der Zeitgeschichte einbaut.
Die Songs als Kommentar zur Handlung
Die fünf Schauspieler spielen sie in Sketchen nach: Chruschtschow und Kennedy telefonieren sich durch die Kuba-Krise, Marilyn Monroe kämpft kokett gegen den Luftstoß, der ihr weißes Kleid hoch bläst und verabschiedet sich mit „I’m Through with Life“ aus der Welt. Gleich mehrmals stirbt Darsteller Jens Koch: als Kennedy, Martin Luther King und als fetter Elvis, im glitzernden Las Vegas-Anzug. Im Zentrum aber stehen natürlich die Songs, und die werden nicht chronologisch runtergesungen, sondern sind oft Kommentar zur Handlung.
Als Dylan auf seinen Motorrad-Unfall 1966 zurast, spielt die Band „This Wheel’s on Fire“. Als Ehefrau Sara sich in den 70ern davon macht, ruft ihr Dylan gehässig hinterher „Once upon a time/You dressed so fine“ und ist schon mitten in „Like a Rolling Stone“.
Lieblicher Sound
Die fünfköpfige Band, von zwei Schauspielerinnen verstärkt, spielt die Lieder in ganz eigenen Versionen: Die dominierenden Instrumente sind Flöte, Geige und Bratsche, der Sound ist lieblich – das Original klang nur kurz auf „Bob Dylan at Budokan“ vergleichbar. Auch Hauptdarsteller Florian Hertweck hat so gar nichts von Dylan: nichts Kantiges, nichts Bluesiges, der Schauspieler singt mit klarer, hoher Stimme.
Hier ist keine Spur von Country oder frühem Rock’n’Roll, die Dylan so prägten. Aber die reichen Arrangements belegen wieder, dass sich diese Songs in jedem Stil spielen lassen. Verantwortlich dafür ist Autor Heiner Kondschak – und der Multiinstrumentalist ist der beste Musiker auf der Bühne.
Seinem Bühnen-Dylan hat er noch einen Zug mitgegeben, der bei den wenigsten Biographien im Zentrum steht: Er zieht die Frauen magisch an, hat aber auch so seine lieben Konflikte mit ihnen. Vielleicht hat die Lebenswirklichkeit ihn ja mehr geprägt als sein Dasein als Jahrhundertfigur?
Deutsches Theater, bis So, 19.30 Uhr, 24 - 54 Euro, Karten unter Telefon 54 81 81 81
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