Interview

Deutsches Theater: Bierausschank auf der Bühne und ein Wiesn-Musical!

Auf eine Maß mit: dem Direktor des Deutschen Theaters. Thomas Linsmayer über die "Grand Tour" auf dem Oktoberfest, die Zukunft des Musicals und endlich ein "Wiesn-Musical" für München
Adrian Prechtel
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Auf eine Maß mit Thomas Linsmayer, hier im Festzelt Tradition mit einem Augustiner, seiner Hausbrauerei im Deutschen Theater.
Auf eine Maß mit Thomas Linsmayer, hier im Festzelt Tradition mit einem Augustiner, seiner Hausbrauerei im Deutschen Theater. © Petra Schramek

Das Festzelt Tradition auf der Oidn Wiesn ist gut gefüllt, Trachtler in alle Richtungen und auch auf dem Tanzboden. Der Kellner kommt und – kein Witz – fragt: "Ein Maß?" Woraufhin Linsmayer die Hutschnur reißt. "Da ist Hopfen und Malz verloren!", sagt er in die Tischrunde. Dennoch meint er, als die Krüge kommen, relativ nachsichtig zu dem jungen Mann: "Die Maß, heißt's! Bitte! Wenigstens das sollte man die 16 Tage hier drauf haben." Er selbst hat im Schottenhamel einige Jahre als Student bedient. Na dann, Prost!

AZ: Herr Linsmayer, wie haben Sie die Wiesn in diesem Jahr begonnen?
THOMAS LINSMAYER: Mit der Grand Tour. Klingt bildungsbürgerlich, meint aber, dass man möglichst viele große Zelte an einem Tag besucht. Bei mir waren es dann zwischen 10.30 Uhr und abendlichem Finale sechs.

Und wie fühlt man sich danach?
Wenn man vorsichtig genug war, nicht komplett besoffen. Außerdem verteilen sich die Massn auf 14 Stunden. Aber natürlich ist man um Mitternacht zu Hause erschöpft. Aber glücklich.

Was gibt Ihnen die Wiesn?
Sie macht euphorisch. Und man hat so viele Begegnungen in einer lockeren Atmosphäre wie nirgendwo sonst auf der Welt. Meine Eltern haben sich am Eröffnungstag 1963 auf der Wiesn kennengelernt. Ohne die Wiesn gäbe es mich also gar nicht. Man kann hier auch mal locker über Wichtiges reden.

Wie über das Deutsche Theater und die Finanzen?
Ja, auch. Wenn man neben dem Oberbürgermeister sitzt, fällt dann schon auch mal der Satz: "Ich lass Euch nicht hängen."

Gilt das dann auch noch nach der Wiesn?
Ja, weil er es mir schon dreimal gesagt hat.

Auffällig ist, dass das Deutsche Theater keine Vorstellungen während der Oktoberfestzeit hat. Liegt das daran, weil Sie immer hier sind? Oder weil niemand kommen würde, weil ja eh alle abends auf der Wiesn sind?
Der Grund ist banaler. Während der Wiesn sind die Hotelpreise für uns zu hoch. Denn wir haben ja Gastspiele und müssen die ganzen Kompagnien in Hotels einbuchen. Aber es stimmt schon: Die Wiesn zieht auch Publikum ab. Und natürlich Geld. Das fehlt dann bei den Kulturausgaben.

Szene aus "Choir of Man", ein Stück, dass in einem Pub spielt.
Szene aus "Choir of Man", ein Stück, dass in einem Pub spielt. © Helen Maybanks

Überschneidet sich Wiesn- und Deutsches-Theater-Publikum so stark?
Wir haben viel junges Publikum. Menschen wollen zusammen feiern, ein gemeinschaftliches Erlebnis haben - mit Musik. Das alles ist ja ganz nah am Musical dran. Auch bei uns gehen die Leute ja mit, klatschen mit. Singen. Da geht es ab wie bei einem Rockkonzert! Und da sehe ich die Parallelen zwischen Wiesn und Musical.

Es gibt die Wiesn ja auch als Musical.
Ja, aber bisher nur als kurzes Berliner Phänomen. Da wurde im Renaissancetheater in Charlottenburg die Wiesn auch auf den Arm genommen - vom Münchner Harold Faltermeyer. Aber diese Persiflage "Oktoberfest - Das Musical" tourt gar nicht. Es bleibt also ein Berliner Phänomen.

Aber es gibt auch ein Projekt zum Oktoberfest am Deutschen Theater.
Ja, die Idee ist, einfach mal die guten Geschichten und Anekdoten zusammenzutragen und in eine gute Geschichte zu gießen - verfeinert mit Musik und Gesang. Das braucht aber noch zwei Jahre. Karl-Heinz Hummel hat die Geschichte für uns geschrieben und Christian Auer komponiert die Musik. Wir wollen dazu bekannte bayerische Musiker engagieren und auch Kabarettistinnen und Kabarettisten sollen mitmachen. Es soll eine lustige, aber eben auch kluge Auseinandersetzung mit dem Phänomen Wiesn sein, das München ja jedes Jahr monatelang beschäftigt. Es gibt schon etwas Vergleichbares in Hamburg, wo sich ein Stück auf St. Pauli mit Hamburg und der Reeperbahn beschäftigt.

Man nimmt also beim Deutschen Theater auf die "Fünfte Jahreszeit", in dem Fall die Wiesn, Rücksicht. Und auf die anderen Jahreszeiten?
Natürlich auch: "Hair" ist Flower Power, also für mich ein Sommerstück. Und den "Brandner Kasper" oder "Dracula" spielt man natürlich im Herbst. Und selbst unsere getanzte "Matthäuspassion" aus der israelischen Partnerstadt Be'er Sheva passt zum November mit Allerheiligen und dem Volkstrauertag, Buß- und Bettag und dem Totensonntag. Charles Dickens "Weihnachtsgeschichte" ist dann natürlich im Dezember zu sehen.

Der 1968 geborene Münchner studierte Rechtswissenschaften an der LMU sowie Kunstgeschichte. Er war viele Jahre Kurator an der Pasinger Fabrik und ist Reiseleiter für Studiosus. Seit 2022 ist er Direktor des Deutschen Theaters.
Der 1968 geborene Münchner studierte Rechtswissenschaften an der LMU sowie Kunstgeschichte. Er war viele Jahre Kurator an der Pasinger Fabrik und ist Reiseleiter für Studiosus. Seit 2022 ist er Direktor des Deutschen Theaters. © Stephan Rumpf.

Wie hat denn das Publikum darauf reagiert, dass das Deutsche Theater mit Ihnen als Direktor neben den Klassikern auch anderes ausprobiert.
Es gibt ein Publikum, das einfach gerne die ganzen großen Titel sieht. Und dafür sind wir auch da. München ist keine klassische Musicalstadt wie Wien, Hamburg oder Stuttgart. Das merken wir dann, wenn wir neue Stücke aus England oder auch aus Linz holen, wo es ein großes Musicalpublikum gibt, das auch Neues feiert und neugieriger ist. Das Musical wird auch zunehmend intellektueller, zeitkritischer, vielseitiger - wie zum Beispiel mit "Ku'Damm57". Ich mache mir auch keine großen Sorgen: Das Musical ist in seiner modernen, unterhaltenden Form mit Musik, Gesang und Tanz und der Möglichkeit für das Publikum voll mitzugehen, die Zukunft. Wir zeigen bald "The Choir of Man" aus England, ein super cooles Stück. Dieses Musical spielt in einem Pub, wo Männer über das Leben nachdenken, singen und tanzen. Sie philosophieren über Liebe, Zusammensein, Freundschaft. Wir werden dazu eine Bar machen, wo das Publikum sich auf der Bühne ein Bier holen kann. Das alles zusammen ist so lustig und charmant, dass es funktionieren wird, auch wenn das Stück zum ersten Mal England verlässt und zu uns nach München kommt.

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Und was machen Sie jetzt?
Ich gehe ins Augustinerzelt rüber. Das ist ja auch unsere Brauerei im Deutschen Theater. Da kommen dann drei Münchner Traditionsunternehmen zusammen: Augustiner, Oktoberfest und das Deutsche Theater, das es ja auch schon 130 Jahre lang gibt.

nach der Wiesnpause: ab 9. Oktober: "Sister Act". Am 29. und 30. Oktober: "Carmina Burana" und am 1.11. und 2.11.: "Matthäuspassion" - beides von der Kamea Dance Company aus Israel. Karten: www.deutsches-theater.de

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