Der zerissene Diktator

Christian Stückl inszeniert „Moses“ nach dem Text von Feridun Zaimoglu und Günter Senkel im Passionstheater in Oberammergau – leider bleibt das Stück blasser als die dortigen Vorgänger
Gabriella Lorenz |
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Christian Stückl inszeniert „Moses“ nach dem Text von Feridun Zaimoglu und Günter Senkel im Passionstheater in Oberammergau – leider bleibt das Stück blasser als die dortigen Vorgänger

Wüstenrot ist die Szenerie, aber darauf lassen sich keine Häuser bauen. Doch das würden die Israeliten gern nach dem langen Marsch, auf dem sie ihr Prophet Moses ins Gelobte Land führen will. Dort müssen sie leider das einheimische Volk vertreiben. Die Sklaverei in Ägypten lehrte sie nationalen Egoismus. Da zählen weder Kanaaniter noch Palästenser.

Seit 2011 bespielt der dreimalige Passions-Spielleiter Christian Stückl das Oberammergauer Passionstheater jährlich mit einer Eigen-Produktion. Die Uraufführung des Auftragstextes „Moses“ von Feridun Zaimoglu und Günter Senkel geriet aber deutlich schwächer als die vergangenen Inszenierungen.

Der Text – denn ein Stück ist es nicht geworden – birgt zwar viele kritische Heute-Assoziationen, aber er vermittelt sie mangels dramatischer Struktur nicht auf der Bühne. Zudem bedient er sich einer pseudo-archaisierenden Sprache im Ausrufe-Modus. Weshalb die Darsteller mit permanentem Übergeschrei spielen, was die akustische Verständlichkeit schwer beeinträchtigt. Auch Stückls Inszenierung mit den bewährten Oberammmergauer Laien beschränkt sich uninspiriert auf das übliche Monumentalaufgebot. Der Bühnen- und Kostümbildner Stefan Hageneier schuf ein hyperrealistisches, halbrundes Outback-Panorama, das sich in der Mitte der in Sienarot gehaltenen Breitwandbühne teilt für große zentrale Auftritte. Menschenmassen links und rechts eines schrägen Rundpodests, die ägyptischen Unterdrücker in Schwarz, die geknechteten Israeliten in Weiß. Fremdländisches Pack trägt Rot oder Gelb. Nur wenn’s ans Kämpfen geht, drohen alle mit denselben Lanzen.

Moses, das ist der aus dem Weidenkörbchen, in dem ihn seine Mutter, eine hebräische „Gastarbeiterin“ in Ägypten, am Nilufer deponierte. Obwohl Ziehsohn und Thronerbe des Pharao, bekennt er sich zu seiner Herkunft. Ein Erweckungserlebnis, bei dem ihn Gott Jahwe aus einem brennenden Dornbusch zu seinem Sprecher beruft, macht ihn zum Führer der Israeliten. Mit sieben Plagen erzwingt er deren Freilassung und Auszug.

Dieser Moses ist ein Fundamentalist, unerbittlich streng in Sachen Moral. Die kleinste Übertretung der reinen Lehre ahndet er mit Hinrichtung, und nach dem Tanz ums Goldene Kalb werden die Sünder massenweise massakriert. Da wird jeder blanke Busen (es gibt tatsächlich einige) samt dranhängendem Mann vom Schwert durchbohrt. Auch wer Volksfremde liebt, ist des Todes: Lupenreiner Rassismus. Die Leute rebellieren mehrmals, aber sie brauchen den Diktator, weil er den direkten Draht zu Jahwe hat.

Carsten Lück versucht, Moses' Zerrissenheit zwischen göttlichem Auftrag und der Führungs-Verantwortung zu spielen, deren schwere Last er selbstmitleidig in einer großer Anklage gegen Jahwe beklagt. Sein Bruder, der Hohepriester Aaron (Frederik Mayet), bleibt Erfüllungsgehilfe. Mehr Profil hat der Magier Balaam (Andreas Richter) als Moses' dialektischer Gegenspieler, der sich zynisch allen Machthabern verkauft.

Die stärkste Präsenz zeigt Stephan Burkhart als Pharao im ersten, sonst recht langweiligen Teil. Wunderbar ist die Musik von Markus Zwink, der Orchester und Chor souverän leitet. Und Regisseur Stückl lässt es mit Pyrotechnik effektvoll krachen: Um das Rund lodert zwei Mal ein gewaltiger Feuerring, Flammen schießen aus dem Boden.

Oberammergau, Passionstheater, 19., 20., 26., 27. Juli, 9., 10. August, 20 Uhr, Karten unter Telefon08822 / 94588 88

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