Der "Vogelhändler" im Gärtnerplatztheater
Wenn es noch eines letzten Beweises bedürfte, dass wir uns in unserem schönen Bayern befinden, dann sind es die "Schwuhplattler", jene sechs feschen Buam mit ihrer kunstvoll modellierten Barttracht, die auf der Bühne des Gärtnerplatztheaters die Schenkel und die Handflächen klatschen lassen. Sie muten zwar durchaus männlich an, aber nicht so, als ob sie sich primär für die Damenwelt interessieren würden - man beachte das zusätzliche "w" im ethnologischen Fachterminus "Schuhplattl'n".
Noch bevor die Premiere losgeht, prangt auf dem Bühnenvorhang unser Landeswappen, Böden wie Wände sind mit weißblauen Rauten ausgekleidet (Bühne: Friedrich Eggert), und in der Wirtsstuben im ersten Akt wird von Angelika Sedlmeier und der im Übrigen dunkelhäutigen Sushila Sara Mai ein kracherter Dialekt gesprochen, der auch einen Altbayern wie den Rezensenten nicht zum Weinen bringt.
Nicht nur bietet der Regisseur Bernd Mottl die Insignien unseres schönen Bayerns in einer derart grotesken Überfülle, als ob sich alle Beteiligten sekündlich vergewissern müssten, dass die Handlung von Carl Zellers Operette "Der Vogelhändler" tatsächlich von der Rheinpfalz in unseren Freistaat verlegt wurde. Man versteht diesen hemmungslosen Overkill an Bajuwarismen schnell als Satire auf die heute grassierende Politik, den Landesbürgern bis zum Überlaufen einzuhämmern, was sie eigentlich ganz von selbst wissen: dass sie nämlich, um es ein drittes Mal zu sagen, in unserem schönen Bayern leben dürfen.
Schauerlicher Plastiklack
Erstaunlicherweise leidet die geographische Echtheit mitnichten darunter, wie schauerlich der Plastiklack der Dirndl und Trachtenjanker reflektiert, in den Weiblein wie Männlein gehüllt sind (Kostüme: Alfred Mayerhofer). Lack und Leder gehen in diesem schmuck subversiven Operetten-Bayrischzell zusammen als queere Kostümierung mit einem Touch von Sado-Maso. So spektakulär greislich das auch ausschaut, so tolerant erweist sich Landesmutter Bavaria gegenüber allen Lebens- und Liebensentwürfen. Und modisch sieht man auf der Wiesn noch Schlimmeres.
Die Zithermusik, mit der Thomas Schechinger die Dialoge untermalt, ist sogar ungleich originaler als die Ballermann-Hits, mit denen man sonstwo beschallt wird. Auch das hohe Tempo der Inszenierung geht als stilistisch authentisch durch: ein Bauerntheater 2.0, sozusagen.
Delikate Streicher
Lustig anzusehen ist, wie der von Pietro Numico glänzend einstudierte, von Karl Alfred Schreiner choreographierte Gärtnerplatz-Chor den Protagonisten immer zutraulich im Kollektiv nachläuft, wohin sie sich auch bewegen. Im Orchestergraben macht Anthony Brammall die Lust an der Übertreibung zum Glück nicht mit. Der frisch gebackene Ex-Chefdirigent hält das allgegenwärtige Walzern flüssig, verzögert und rafft in der genau richtigen Weise und genießt mit dem bestens disponierten Gärtnerplatz-Orchester jede Streicherkantilene und jedes delikate Bläsersolo.
Im Graben gibt es also feinste Wiener Komödie, die Premierenbesetzung liefert auf der Bühne ebensolche bayerische. Alexander Grassauer gibt einen prachtvollen Wald- und Wildmeister Scheps, G'schaftelei mit bassbaritonalem Belcanto verbindend. Mit dem Tiroler Dialekt kommt Matteo Ivan Rasic als Vogelhändler so gut zurecht wie er schmelzend tenoral ins Ohr geht. Und der andere Tenor Alexandros Tsilogiannis schafft das Kunststück, als windiger Graf das Publikum zum vernehmlichen Schmunzeln zu animieren und gleichzeitig stimmliche Contenance zu wahren. Die Damen aber sind es, die einlösen, was der weltoffene Ansatz von Mottls Inszenierung verspricht.
Menschliche Entwicklungen
Wenn die sopranistisch luxuriöse Sophia Brommer als Landesmutter Marie belustigt die tölpelhaften Avancen des Vogelhändlers pariert oder die Hofdame Regina Schörg mit matronenhaft bebendem Alt und todernstem Isoldenpathos dem windigen Grafen nachstellt, zeigt sich eine starke Weiblichkeit, die die frühe Emanzipationsbewegungen der Entstehungszeit längst vollzogen hat.
Julia Sturzlbaum, gewandet im schmucken Briefträgerinnen-Gelb-Blau, quirlig, originale Wienerin, macht menschlich die größte Entwicklung durch: von den jubelnden Spitzentönen der Christl von der Post über die leise Wehmut der Zurückgewiesenen hin zur souveränen Frau, die ihren flatterhaften Vogelhändler in seinen eigenen Käfig steckt. Gegenüber diesem weiblichen Trio wirken Schuh- wie Schwuhplattler gleichermaßen kindisch.
Weitere Vorstellungen am 31. Januar (19.30 Uhr), 2./7./13. Februar (19.30 Uhr), 11. Februar (18 Uhr), 2./16. März (19.30 Uhr), Karten online unter gaertnerplatztheater.de und Telefon 2185 1960
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