"der verschwundene hochzeiter" von Klaus Lang im Reichshof
Wer Kinder im „Star Wars“-fähigen Alter besitzt, kennt die Hologramme, mit denen in diesem Weltraumepos realiter in der Ferne weilende Personen an Videokonferenzen teilnehmen. Da flimmert es dann ein wenig.
Die Bayreuther Festspiele haben diese Technik allerdings überraschenderweise besser drauf als das galaktische Imperium.
In der Oper „Der verschwundene Hochzeiter“ erscheint neben dem Darsteller ein Doppelgänger, der vom Original kaum zu unterscheiden ist. Und man würde schwören, dass echter Kunstschnee auf die Bühne fällt, obwohl er auch nur projiziert wird.
Man braucht eine gute halbe Stunde, um aus den hinteren Reihen der Kulturbühne Reichshof die geneigte durchsichtige Folie vor der Bühne zu entdecken. „Peppers Ghost“ nennt sich der schon im 18. Jahrhundert erfundene und mit Beamern perfektionierte Trick. Mit ihm werden heutzutage Stars zu Auftritten auf Kreuzfahrtschiffe gebeamt. In Bayreuth feiert er womöglich sein Operndebüt (Video: Friedrich Zorn).
Eine Geschichte voller Rätsel
Der Regisseur Paul Esterhazy setzt diese faszinierende Technik in seiner Inszenierung von Klaus Langs Kammeroper ein. „Der verschwundene Hochzeiter“ wurde am Tag vor der eigentlichen Eröffnung mit „Lohengrin“ im von Marie Luise Maintz kuratierten Rahmenprogramm „Diskurs Bayreuth“ uraufgeführt – als erste neue Oper der Festspiele seit der Uraufführung von Wagners „Parsifal“ anno 1882.
Die Handlung von „der verschwundene Hochzeiter“ weist ein paar Gemeinsamkeiten mit „Lohengrin“ hat - den geheimnisvollen Fremden etwa. Aber sonst hält sich die 90-minütige Komposition fern von Anspielungen auf Wagners Mythenwelt und Musik. Zu allererst fallen beim Betreten der Spielstätte, einem ehemaligen Kino im Stadtzentrum, ein riesiger Satz Kuhglocken auf: Lang verarbeitet eine lokale niederösterreichische österreichische Sage, die sich um einen frisch verheirateten Mann dreht, der einer Gegeneinladung zu einer anderen Hochzeit folgt, auf der er etwas zu lange tanzt und von der er erst nach 300 Jahren wieder zurückkehrt, ehe er zu Staub zerfällt.
Ein Zeitsprung nach Schwarzweiss
Es ist Geschichte voller Rätsel. Der 1971 in Graz geborene Komponist hat sie in der für ihn typischen Langsamkeit vertont. Das Ensemble Ictus und der instrumental singende Chor Cantando Admont sitzen um das Publikum herum und hüllen es in minimalistische Klangflächen, die bisweilen mikrotonal aufgeraut werden. Das hat einen leichten Zug ins Mystische und Esoterische, das Hörer bisweilen polarisiert.
Paul Esterhazys Inszenierung antwortet auf die Musik mit einer kongenialen Gelassenheit. Der fremde Gast, der den Hochzeiter zu sich einlädt, erscheint als Doppelgänger. Paul Esterhazy hat dafür die ideale Besetzung: die stumm agierenden, in Tracht gekleideten Zwillingsbrüder Jiri und Otto Bubenicek, die zugleich als Hologramme erscheinen. Sie agieren in einem kahlen Zimmer, in dessen Fenster überwiegend Bilder aus dem Gölsental erscheinen, aus dem die Geschichte stammt. Wenn die Zeit dreihundert Jahre springt, wechselt die Aufführung von Farbe in Schwarzweiss.
Seit Jahren wird über Konzepte diskutiert, die Bayreuther Festspiele von der ewigen Wiederkehr der kanonischen Werke des Meisters zu erlösen.
Mit „Der verschwundene Hochzeiter“ wurde der Knoten zerschlagen: Das abgeranzte Kino erwies sich als ideale Spielstätte für Neue Musik. Klaus Lang hat eine Oper geschrieben, die jedem Festival für Neue Musik vorzeigbar wäre. Und die hoffentlich bald auch anderswo gezeigte Inszenierung macht aus einem alten Illusionisten-Trick aufregendes Musiktheater. Was will man mehr?
Wieder am 26. und 27. Juli in der Kulturbühne Reichshof, Maximilianstraße 28, 35 Euro
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