Der Tarnkappenbomber von Tirol

Nach zwei Jahren Bauzeit wurde Gustav Kuhns Festspielhaus in Erl eröffnet. Die erste Premiere war Mozarts „Le nozze di Figaro“ – weder szenisch noch musikalisch subtil
von  Marco Frei

Nach zwei Jahren Bauzeit wurde Gustav Kuhns Festspielhaus in Erl eröffnet. Die erste Premiere war Mozarts „Le nozze di Figaro“ – weder szenisch noch musikalisch subtil

Manchmal liegen Glück und Pech dicht beieinander. Das kann man derzeit zwischen Chiemgau und Inntal erleben. Enoch zu Guttenberg hat mit den Festspielen Herrenchiemsee Pech: Der Hauptsponsor ist abgesprungen, für zwei Jahre zahlt das Kunstministerium.

Wenige Kilometer weiter bei den Tiroler Festspielen in Erl freut sich indes der Tausendsassa Gustav Kuhn: Nach zwei Jahren Bauzeit ist sein neues, wintertaugliches Festspielhaus eröffnet – wie einst Wagner in Bayreuth. Als erste Oper diigierte und inszenierte Kuhn Mozarts „Figaro“.

Kuhn hatte Glück: Die 36 Millionen Euro für den Neubau flossen größtenteils aus der Familienstiftung des Bauunternehmers Hans Peter Haselsteiner. Ihm gehört der Strabag-Konzern, bei den Erler Festspielen fungiert er als Präsident. Dieses Mäzenatentum ist in der Klassik hüben wie drüben nicht gewöhnlich. Noch dazu hat die Stiftung ein Parkhaus samt Gästehaus und Sauna auf die Wiese gestellt und kommt für alle Betriebskosten auf. Da kann es Kuhn schnuppe sein, dass bei Opern nur 732 und bei Konzerten 860 Besucher Platz haben.

Die neue Spielstätte steht neben dem Passionsspielhaus und ist auf jeden Fall ein Hingucker. Wie ein Fels möchte das dunkle Gebäude aussehen. Andere halten es für ein abgestürztes Flugobjekt – halb Ufo, halb Tarnkappenbomber. Aus den Fenstern im Foyer blickt man auf die bayerischen Voralpen. Der Neubau für Kuhns Grünen Hügel kommt zur richtigen Zeit, denn wie die jetzige Eröffnung sollen künftig vom zweiten Weihnachtstag bis Anfang Januar die Erler Winterfestspiele steigen – wenn sonst die Opernbühnen schnarchen.

2013 soll hingegen im Sommertempel wieder das Erler Passionsspiel zelebriert werden, das alle sechs Jahre wiederholt wird: Das neue Haus ist endlich eine geeignete Ausweichstätte. Sonst aber bleibt offen, was im neuen „Kuhniversum“ gezeigt wird. Belcanto soll aufgeführt werden, heißt es – Rossini, Bellini und Donizetti. Auch kann sich Kuhn die Strauss-Opern „Ariadne“, „Guntram“, „Capriccio“ oder eben den „Rosenkavalier“ vorstellen. Und es wird wohl Wagner geben, dafür spricht jedenfalls der gewaltige Orchestergraben von 160 Quadratmetern.

Eines aber hat die erste Opernpremiere im neuen Haus mit „Le nozze di Figaro“ gezeigt: Finger weg von Mozart, das kann Kuhn nicht. Weder musikalisch noch szenisch wurde die subtil humorvolle Charakter- und Sozialstudie Mozarts umgesetzt – ganz zu schweigen von dem modernen, verstimmten Flügel. Mit ihm wurden die Rezitative im stillosen Legatissimo begleitet.

Unter den Solisten stach Sabina von Walther als Gräfin Almaviva heraus, sonst aber hatte der Gesang kaum etwas mit Mozart zu tun. Die Sängerin Christa Ludwig saß im Publikum und wirkte wenig erfreut – wohl auch, weil die recht direkte Akustik irritierte. Im ersten Akt war zudem ein leises Brummen zu hören. Sei’s drum, die Münchner Philis sollen mit Gastspielen im neuen Saal liebäugeln.

www.tiroler-festspiele.at

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