Der "Rosenkavalier" unter Franz Welser-Möst wiederaufgenommen
Er ist schlank, hat edle Gesichtszüge und eine schneidige Frisur, und dazu ist er vielleicht gerade einmal Mitte, Ende dreißig. Und damit ist die Hauptsache noch gar nicht benannt: Wenn Günther Groissböck den Mund öffnet, dann ertönt ein markiger, schwarzer Bass, vielleicht noch nicht so balsamisch strömend wie der des Jahrhundert-Ochs’ Kurt Moll, aber dafür angriffslustig, sicherlich nicht harmlos – und parliert dazu verführerisch im echt österreichischen Idiom.
Kurz: Dieser Ochs von Lerchenau, der „aufgeblas’ne, schlechte Kerl“, ist, entgegen Hofmannsthals Libretto, eigentlich eine glänzende Partie. Das ist nun kein Problem für die Musik. Groissböck, der auch die schwergewichtigen Partien Richard Wagners verkörpert, hat echte Dämonie in der Stimme und füllt diese Rolle, mit der er erst letztes Jahr in Salzburg debütiert hatte, bis zum Bersten aus.
Gelassen tänzelndes Orchester
Doch es ist schon ein Problem für die Regie, dass Groissböck, wenn man von ein paar eher charmanten Grobheiten absieht, derart attraktiv ist. Harry Kupfer hat es in seiner Inszenierung vom letzten Jahr nicht lösen können, vor allem, weil er für dieses Stück, neben einer prächtigen Ausstattung, keine eigene Sichtweise anbieten konnte. Dabei würde gerade in der Ochs-Figur, dem verkommenen Adligen, der sich Frauen auch mit Gewalt nimmt, Sprengkraft stecken.
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Im Orchester spiegelt sich die spannungsarme Neigung zum geschmäcklerischen Konsens wider, trotzdem die Wiener Philharmoniker höchstpersönlich im Graben sitzen. Zwar lässt Franz Welser-Möst den Walzerschritt gelassen tänzeln und genießt den Farbenrausch dieses einzigartigen Ensembles in vollen Zügen. Doch kaum einmal werden Kontraste geschärft, und die sich schnell ausbreitende Harmlosigkeit wird auch nicht etwa dadurch vergessen gemacht, dass die Begleitung den Sängern besonders eng folgen würde.
Sängerluxus
Gerade in der einleitenden Duett-Szene geht Welser-Möst über Angebote Sophie Kochs als Octavian hinweg, die deutlich mehr Raum zur Entfaltung bräuchte (wie auch Adrian Eröd als Faninal), und selbst noch das Schluss-Duett mit der bezaubernd fein singenden Sophie von Golda Schultz verliert durch allzugroße dirigentische Geläufigkeit.
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Einzig die Marschallin Krassimira Stoyanovas bleibt davon fast unberührt, weil die gebürtige Bulgarin ihren intensiv leuchtenden Sopran so präzise führen kann, dass auch die im zarten Piano gesungenen Phrasen in der Panorama-Akustik des Großen Festspielhauses zum Greifen gegenwärtig werden. Sie ist zwar im Stück schon verheiratet, aber in dieser Aufführung ist Stoyanovas Marschallin – die andere gute Partie.