"Der Milchwald" von Dylan Thomas im Metropoltheater

Ein Seh- und Hörgenuss: Ulrike Arnold inszeniert „Unter dem Milchwald“ von Dylan Thomas am Metropoltheater
von  Gabriella Lorenz

Ein enger Guckkasten, ein Zimmer, zwei Sessel, eine Stehlampe: Darin posieren fünf Menschen fürs Gruppenfoto. Sie verkörpern alle Bewohner eines Fischer-Kaffs. Einen ihrer Alltage von morgens bis nachts verdichtete der walisische Lyriker Dylan Thomas in seinem Hörspiel „Unter dem Milchwald“ 1953 zu einer grandiosen vielstimmigen Poesie mit großen epischen und dramatischen Qualitäten, die schnell vom Theater entdeckt wurden.

Im Metropoltheater erweckt Regisseurin Ulrike Arnold diesen Kleinstadttag mit fünf exzellenten Schauspielern rund um das Häuschen zu zauberhaft komischen Leben. Dylan Thomas hat die BBC-Ursendung 1954 nicht erlebt. Er trank sich 1953 mit 39 Jahren während einer Tournee in New York zu Tode. Die Heimat Wales prägte sein Werk.

Mit liebevollem Spott zeichnet er in diesem Gedicht für Stimmen einen kleinstädtischen und weltgültigen Mikrokosmos. Der Name des fiktiven Orts Llareggub ergibt rückwärts gelesen auf Englisch sowas wie „Nichtsnutze, alle“: verschrobene Typen mit Marotten, Beschädigungen und Sehnsüchten nach Liebe.

Kneipenwirt Sindbad (Thomas Meinhardt) verzehrt sich liebeskrank nach der spröden Schullehrerin Gossemer Beynon (Lisa Wagner), die auch will, aber sich nicht traut. Briefträger Willy Nilly (Gerd Lohmeyer) kann den Empfängern immer erzählen, was drin steht, weil seine Frau alle Briefe aufdampft. Wenn Markus Fennert das Kopftuch abnimmt, ist er sofort der rasende Metzger Beynon, bei dem's auch Katze gibt. Oder der blinde Käptn Cat als Johnny-Depp-Persiflage, den seine ertrunkenen Seeleute besuchen. Lena Dörrie wartet mit 17 auf die erste Liebe oder tanzt grotesk Chachacha. Ein verblüffendes Bild: Im Fenster sieht man lockend einen Frauenrücken halbnackt. Die Bühne dreht sich - und da steht Dörrie in Kruzifix-Pose.

Die Drehscheibe mit dem Haus (Bühne: Julia Ströder) schieben die Schauspieler per Hand, Fenster und Tür sind Schwellen zwischen Situationen und Zeiten, Toten und Lebenden. Urike Arnold schafft mit dem Ensemble eine zarte, schwebeleichte, subtile Komik, die der Poesie immer genug Raum lässt. Zwei Stunden Seh- und Hörgenuss.

Metropoltheater, heute und wieder ab 29. Januar, 20 Uhr, Tel. 32 19 55 33 

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