"Der Karneval der Tiere" im Gärtnerplatztheater: Man setzt sich nicht auf Tiere

München - Kritiken schreiben mit Kindern macht Spaß, ist aber nicht ganz billig. Das halbe Honorar geht da schon drauf. Dafür ist der Erkenntnisgewinn immens, gerade, wenn es um Konzerte für die Kleinen geht.
Konkrete Einwände vom jungen Kritiker
So hätte der angejahrte Rezensent die Aufführung des "Karnevals der Tiere" von Camille Saint-Saens, die nachmittags live aus dem Gärtnerplatztheater übertragen wurde, als sehr gut musizierte, theatralisch eher maue Produktion beurteilt.
Die achtjährige Tochter, die in der zweiten Klasse dank engagierter Lehrerin schon einiges über das charmante Werk gelernt hatte, äußert beim gemeinsamen Anschauen konkretere Einwände.
Im ansonsten leeren Zuschauerraum sind einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anwesend, um ein bisschen Applaus zu spenden. "Wieso sitzen jetzt da welche drinnen im Theater?", lautet die vorwurfsvolle Frage. Schnell wird auch klar, dass die Zwischentexte von Loriot, die wir Großen immer als witzig empfunden haben, ein jüngeres Publikum kaum erreichen.
"Man setzt sich nicht auf Tiere"
Die Geschichte, dass die Tiere sich nacheinander präsentieren, wird, obwohl Erwin Windegger sie anschaulich erzählt, nicht verständlich. Dass er sich beim Herumgehen auf der Bühne auf die Schildkröte setzt, findet die Tochter "blöd": "Man setzt sich nämlich nicht auf Tiere" (Einwand des Vaters: "Aber man setzt sich doch auch auf Pferde?" - "Ja, aber das ist etwas Anderes als Schildkröten!").
Widersprüche im Stück
Auch deckt die kindliche Logik einige Widersprüche auf. So passt die Klarinette zwar zum Kuckucks-Bild - aber nicht das Klavier. Der Xylophonist spielt seinen Part humorvoll, aber: "Fossilien leben eigentlich nicht". Zuspruch erfährt der Schwan, den der Violoncello-Solist des Gärtnerplatzorchesters huldvoll einschweben lässt; im Text ist allerdings von Hibiskus-Blüten die Rede, deren Fehlen vermerkt wird.
Überhaupt gibt es, und das wäre auch der Verbesserungsvorschlag des erwachsenen Kritikers, nicht genug zu sehen. Wenn schon, was natürlich das Beste wäre, keine echten Löwen, Elefanten und Kängurus auf die Bühne geführt werden können, hätte eine Bebilderung, ob mit Fotos oder Zeichnungen, Wunder gewirkt; die Plüschversionen der Tiere kommen eher etwas unheimlich rüber.
Schließlich wird bemängelt, dass man den Dirigenten Oleg Ptashnikov, der auch das Solo-Klavier mit Liszt'scher Verve spielt, nicht besser bei seinem Tun beobachten kann. Doch daran ist natürlich das Corona-Virus schuld. Solche unmittelbaren Erlebnisse sind eben nur im Theater möglich, in das Kleine wie Große sich schon so lange zurücksehnen.
Der Stream steht nur noch bis19. April auf der Website des Gärtnerplatztheaters