"Der Enkeltrick" im Blutenburg-Theater

München - Zwei Millionen Euro sollen im Jahr 2021 alleine in Bayern mit dem Enkeltrick erbeutet worden sein und es scheint, die Betrugsmasche funktioniert noch immer. Mit einem fröhlichen "Rat mal, wer da anruft" schleichen sich falsche Enkelinnen und Enkel, wahlweise auch Nichten und Neffen, ins Vertrauen älterer Menschen ein, die offenbar ihrer Verwandtschaft gerne bei überraschenden Geldnöten finanziell aushelfen und über leicht zu verflüssigende fünf- bis sechsstellige Beträge auf ihren Sparbüchern verfügen.
"Der Enkeltrick" im Blutenburgtheater: Piotraschke schreibt, Wintersteller inszeniert
Jetzt ist "Der Enkeltrick" auch im Theater angekommen. Ganz vorne hat das Blutenburg-Theater die Nase im Wind, das nicht nur auf Krimiklassiker von Edgar Wallace oder Agatha Christie spezialisiert ist, sondern mit Frank Piotraschke einen Hausautor für eigene Stoffe hat.
Der Münchner Schauspieler, Regisseur und Dramatiker beginnt sein Stück mit dem Auftritt einer etwas schrulligen älteren Dame namens Veronica, die erotische Kunst zu schätzen weiß und die eindeutige Stelle eines männlichen Torso züchtig bedeckt, bevor ihr Enkel Manfred eintrifft, den sie seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen hat.
Piotraschke schildert dann aber nicht einen Raubzug der heranwachsenden Jugend zum Nachteil hilfloser Senioren, sondern macht bald klar, dass hier nichts so aussieht, wie es im freundlich hellen Bühnenbild von Peter Schultze scheint. Manfred, der vom Handy kaum zu trennende junge Schlaks in hypermodischem Camouflage-Look, ist kein Fake-Enkel, sondern echt.
Lebensfrohe Oma dreht den hinterhältigen Enkeltrick um
Die Millionen der Großmutter könnte er dennoch gut gebrauchen, denn als "Environment Improvement Technician" - in früheren Zeiten hieß der Job Putzhilfe - gibt es nicht viel zu verdienen.
Dafür hat die liebe Oma, die auf keinen Fall mit "Oma" angesprochen sein will, eine Leiche im Keller, und das nicht nur im übertragenen Sinne. Die lebensfrohe Veronica dreht den hinterhältigen Enkeltrick um zum tödlichen Omatrick und beruft sich auf die Filme von Quentin Tarantino.
Bizarre Eskalationen und turbulentes Spiel im Zwei-Personen-Stück
Die wilde Mischung aus Familiendrama, Schießerei, Folter und beschwerlicher Tatortreinigung ist ein dramaturgisches Abenteuer, das nicht unbedingt so gelingen muss wie in Tarantinos Kino.
Doch Regisseurin Petra Wintersteller lässt nichts anbrennen, was der Text an bizarren Eskalationen bietet und gewinnt das turbulente Spiel wie das hingerissene Publikum. Das Zwei-Personen-Ensemble spielt die stets im richtigen Moment auch eingebremste Mord-und-Totschlag-Posse fast übermütig und höchst unterhaltsam mit: Christa Pillmann ist ein zierliches Energiebündel zwischen liebevoller Großmutter und cooler Revolverlady; Markus Beisl - ungefähr einen Kopf größer als Pillmann - ist der bemitleidenswerte "Spacko" Manfred am Rande des Nervenzusammenbruchs und oft auch darüber hinaus.
Blutenburg-Theater, Blutenburgstraße 35, bis 22. Juli und vom 23. August bis 30. September jeweils dienstags bis samstags, 20 Uhr, Karten unter Telefon 1234300