Der "Diener zweier Herren", inszeniert von Christian Stückl

Das Burgtheater gastiert mit Carlo Goldonis Komödie „Diener zweier Herren“ in Christian Stückls Regie im Volkstheater
von  Robert Braunmüller
Der "Diener zweier Herren" in der Regie von Christian Stückl.
Der "Diener zweier Herren" in der Regie von Christian Stückl. © Reinhard Werner/Burgtheater

Als Nachspeise soll Pudding serviert werden. Der ausgehungerte Diener zweier Herren und der dürre Oberkellner können nicht widerstehen. Dann verlangen die Herrschaften das Dessert, und die beiden befördern vorher im halbfesten Zustand befindlichen Pudding in flüssiger Form wieder aus dem Mund in zwei Schälchen.

Peter Simonischek schmeckt die vorgekaute Süßspeise ganz vorzüglich. Falls das Schälchen trickreich vertauscht wurde, bekommt das der Zuschauer auch aus der dritten Reihe nicht mit. In diesem ekelhaft köstlichen Moment verzeiht man dem Herrn Simonischek, dass er den ganzen Abend lang nicht den Pantalone spielt, sondern einen soignierten Burgtheatervirtuosen namens Peter Simonischek, der pflichtbewusst eine Rolle runterreißt.

Kindertheater für Erwachsene

Christian Stückls Inszenierung von Carlo Goldonis „Diener zweier Herren“, die als Gastspiel des Wiener Burgtheaters dreimal im Volkstheater gastiert, ist prächtiges Kindertheater für Erwachsene. Da wird herumgesaut, dass es eine Freude ist. Einmal kriegt jemand einen Sektkübel Wasser oder Suppe auf den Anzug. Und ein Brief wird mit alten, unter den Tischen klebenden Kaugummis neu versiegelt.

Den Programmhefttext, in dem die Veredelung der Commedia dell’arte durch Goldoni gepriesen wird, hat der Regisseur dankenswerterweise ignoriert. Er schafft mit leichter Hand beides: den Klamauk und die psychologische Vertiefung. Davon profitieren vor allem die Frauenrollen: Irina Sulvaer ist nicht nur ein blonder Trampel. Sie spricht ironisch, spitz und distanziert, wie 19-Jährige heute so drauf sind. Und sie veranstaltet ein großes emotionales Drama, als sich der Vater ihren Heiratsplänen widersetzt.

Und ist auch noch Mavie Hörbigers kratzbürstiges, lesebebrilltes Kindermädchen, das kurz vor der Pause die komplizierte Intrigen-, Verwechslungs- und Verkleidungsgeschichte des Stücks aus militant feministischer Sicht mit rauer Stimme und Hakennase kommentiert. Und zwar halb ernst und halb komisch.

Die hohe Kunst der Eskalation

Stückl erzählt eine Mafia-Komödie in der drehbaren Glasfassade eines Kaffeehauses (Bühne: Stefan Hageneier). Die Eingangsmusik schmeckt ein wenig nach Ennio Morricone. Dann sieht der Zuschauer den die Verwicklungen auslösenden Mord. Statt mit dem Degen wird mit Pistolen herumgefuchtelt. Die knallen so lange aus dem etwas billigen Theater-Off, bis gegen Ende doch einmal mit großem Getöse eine Fensterscheibe der drehbaren Kaffeehausfassade zu Bruch geht.

Denn die Kunst der Eskalation und der gesteigerten Wiederholung beherrscht Stückl aus dem Effeff. Die Verlegung in eine unbestimmte Vergangenheit klappt hingegen nur halb, weil die Geschichte eine Welt ohne Passfotos ebenso selbstverständlich voraussetzt wie Perücken auf den Köpfen aller Herren von Stand die glaubhafte Verwandlung Beatrices in ihren Bruder Federico.

Eine Riesengaudi

Andrea Wenzl spielt den Mann mit weißblonder Perücke ziemlich ruppig und unter heftigem Elektrozigaretteneinsatz. Die echten Herren sind weitgehend zappelige Emotionalclowns: Christoph Radakovits, den neubürgerlich ordentlichen Bräutigam, überfordern die Wechselfälle der Geschichte, die seinen juristisch gebildeten Vater (Johann Adam Oest) kalt lassen. Beatrices Liebhaber (Sebastian Wendelin) ist ein Trottel, der mit einer aus dem Koffer gezogenen Wim-Wenders-Mähne noch dämlicher aussieht, als er ohnehin ist.

Markus Meyer hat als Diener zweier Herren ziemlich zu schwitzen – in der Rolle wie als Darsteller, dem sogar ein Spagat abgefordert wird. Es ist, wie gesagt, eine Riesengaudi. Schade, dass Stückl sein Talent für das Komische in München eher sparsam verwaltet. Und dass dieser „Diener zweier Herren“ hier nur dreimal läuft: Am ersten Abend wurden durchaus verzweifelt Karten gesucht.

P.S.: In der Pause gab es eine Umfrage im Publikum nach Wünschen an den Neubau im Volkstheater. Irgendwie rührend, dass diesem von der Stadt konspirativ betriebenen Projekt auf diese Weise ein bisschen den Glanz einer Schein-Öffentlichkeit verleiht. Am 25. Januar soll das beim Architektenwettbewerb siegreiche Projekt, von dem noch immer kein offizielles Foto existiert, immerhin im Foyer des Theaters vorgestellt werden.
 

 

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