Der Ahab der Schlachthöfe

Die letzte Spielzeit war die besucherstärkste des Volkstheaters. Christian Stückl präsentierte nun mit seinem Team das Programm für die neue Saison – und träumt von einem neuen Zuhause
Robert Braunmüller / TV/Medien |
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Was eint Christian Stückl mit Martin Luther King? „Ich habe einen Traum“, heißt es [/INI_3]im neuen Spielzeitheft des Volkstheaters, genannt „Volksmund“. Also, den Satz hat Stückl von King geklaut, und er hat tatsächlich eine Vision: von einem Neubau, in dem sein Volkstheater eine Heimat finden wird, nachdem klar geworden ist, dass das sanierungsbedürftige Haus in der Brienner Straße bis 2020 geräumt werden muss. Das alte Schlachthofviertel als Bauort schwebt Stückl dabei vor, und er träumt davon, dort mit Brechts „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ zu eröffnen. Klingt blutig. Und himmlisch.

Auf die Frage, ob er bis 2020 überhaupt noch Volkstheater-Chef sein wird, da hält sich Stückl, dessen Vertrag noch bis 2015 läuft, bedeckt. Lust bekundet er schon, aber die Stadt muss auch Zeichen setzen, eben, schon allein, was die Zukunft angeht. Klare Argumente dafür, dass das Volkstheater einen hohen Einsatz wert ist, hat der Intendant vorzuweisen: 113<TH>000 Zuschauer besuchten die Vorstellungen in der letzten Saison, so viele wie noch nie. 27 Prozent davon sind Studenten und Schüler, also die Jugend kommt ins Haus, aber auch ältere Semester, und zwar in wachsender Zahl, obwohl es kein Abo gibt.

Der „Brandner Kaspar“ steht nach der 250. Aufführung bei 170<TH>000 Besuchern, das Festival „Radikal jung“ verzeichnete eine Auslastung von 95,4 Prozent und hat einen hohen Stellenwert in der deutschen Theaterszene. Festival-Chef Kilian Engels denkt darüber nach, türkische Inszenierungen im nächsten Jahr einzuladen; Stückl, der seinen Urlaub wieder mal in Indien verbracht und dort viel Theater geschaut hat, würde sich wohl über ein indisches Gastspiel freuen. Schaun mer mal.

Der israelische Regisseur Eyal Weiser, der beim letzten „Radikal jung“ mit seiner raffinierten Pseudo-Deutschbiografie-Performance „Mein Jerusalem“ dabei war, wird im Mai 2014 auf der Großen Bühne inszenieren. Es bleibt dabei, dass alte, sagen wir, älter werdende „Radikal jung“-Recken fürs Volkstheater Regie führen: der Ungar Csabar Polgár, vor zwei Jahren mit seiner Version von Shakespeares „Coriolanus“ eingeladen, bestreitet die Eröffnung am 28. September mit „Julius Cäsar“, frei nach William Shakespeare.

Acht Premieren stehen an, gewichtige Werke der Weltliteratur sind darunter: Abdullah Karaca setzt den „großen Gatsby“ auf der Kleinen Bühne in Szene, ohne Leonardo DiCaprio, aber sicherlich einfallsreich (Premiere im Oktober). Stückl inszeniert selbst zweimal, begibt sich mit „Ghetto“, nach dem Stück von Joshua Sobol, in die Nazi-Zeit und taucht mit dem Projekt „Siegfried“ in den deutschen Mythos ein. Und zum Spielzeitfinale hievt Simon Solberg „Moby Dick“ auf die Bühne. Käptn Ahab jagt den weißen Wal, Käptn Stückl hat den Schlachthof-Neubau im Visier. Und leidenschaftlich sind sie alle.

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