Das "Rheingold" als Auftakt zum "Ring des Nibelungen"

Der Zündler werkelt im Graben: Wagners "Rheingold" unter Kirill Petrenko im Bayreuther Festspielhaus
von  Christa Sigg

Der Zündler werkelt im Graben: Wagners "Rheingold" unter Kirill Petrenko im Bayreuther Festspielhaus

Mit der Zeit gewöhnt man sich an alles. Und womöglich wird Frank Castorfs „Ring“-Rundumhieb irgendwann ein bisschen gemocht. Vielleicht tragen ein paar Verweigerungs-Veteranen sogar Trauerflor, wenn seine Großdemontage in ein paar Jahren das letzte Mal über die Festspielbühne poltert. Der Buh-Pegel ging jedenfalls hörbar zurück. Aber das „Rheingold“ an der Route 66 ist ja auch ziemlich amüsant – und unterhaltsam.

Zumal Castorf schön weitergeschraubt hat am Halbweltgeplänkel zwischen Cocktails und Cowboyboots, Lustmatratzen und Mini-Pool. Durch die Umbesetzungen dürfte zudem intensiv geprobt worden sein. Bei den Menschen im Motel sitzt jede potenzdemonstrierende Geste, funktioniert jedes erotische Gefummel.

Überhaupt geht es diesmal etwas eindeutiger zur Sache. Die lasziven Rheintöchter (Mirella Hagen, Julia Rutigliano, Anna Lapkovskaja) rücken dem mit Albert Dohmen geradezu nobel besetzten Alberich ordentlich auf die Pelle. Und auch die festspielwürdigen Satin- und Latex-Göttinen der Nacht kuscheln gerne mit ihrem Wotan. Unter Schwestern teilt man doch gerne. Auch wenn bei der fast schon dezenten Fricka (Claudia Mahnke) ein Hauch Eifersucht aufflammt, als sich die wendige Freia (Allison Oakes) rittlings auf dem Schwager räkelt. Fast ängstlich beäugt sie schließlich das Erscheinen von Puffmutter Erda in Gestalt der fabelhaft üppigen Nadine Weissmann, die dann auch noch für ein inniges Knutsch-Intermezzo mit dem Chefgangster zu haben ist.

Bis ins Detail gefeilt

Wolfgang Koch spielt ihn als dubiosen Macho, der mitnimmt, was sich anbietet, ansonsten aber ein Freund bequemer Positionen ist. Zurückhaltung scheint auch das Prinzip seines Gesangs. Da werden Donner und Froh (Dasch-Gatte Daniel Schmutzhard und Lothar Ordinius) schon sehr viel deutlicher, allerdings haben sie gegen das Krawall-Duo der Riesen wenig auszurichten. Bei Fasolt Wilhelm Schwinghammer fragt man sich sowieso, weshalb Freia partout zur mafiösen Mischpoke zurück möchte.

Der nun auch sichtbare Ring am Finger Wotans beginnt eben zu wirken, und Loge John Daszak hat alles so perfide arrangiert, dass ihm beim drohenden Unglück nur noch das nervöse Zündspiel an seinem Zippo bleibt.

Wobei der Hauptzündler im Graben werkelt. Kirill Petrenko ist immer darauf bedacht, die die leckende Lohe unter Kontrolle zu halten, aber mit diesen bis ins kleinste Detail gefeilten Steigerungen, den Übergängen, den fein glimmenden Zwischenspielen nimmt er jedem, der Ohren hat, den Atem. Waren es wirklich zwei Stunden zwanzig?

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