Das Opernstudio spielt "Albert Herring" von Benjamin Britten

Angenommen, jetzt würde mein Telefon klingeln und der Kulturreferent von Utopia ernennt mich zu seinem Opernintendanten, dann hätte ich bereits die Lösung: Ich kaufe Nikolaus Bachler das komplette Opernstudio ab. Mit dem Ensemble von „Albert Herring“ lässt sich (fast) alles angemessen besetzen. Und zwar so, dass wie bei der Aufführung von Benjamin Brittens Kammeroper im Cuvilliéstheater die ganz große Begeisterung ausbricht.
Entscheidend ist bei „Albert Herring“ die Darstellung des verklemmten Sohns einer Gemüseladenbesitzerin, der in Ermangelung einer tugendhaften Kandidatin zum Maienkönig einer britischen Kleinstadt ernannt wird. Petr Nekoranec singt die Rolle mit einem leicht metallisch gefärbten Tenor, dem sowohl lyrisches wie dramatisches Potential zuzutrauen ist. Und fast noch wichtiger: Er spielt die pubertäre Selbstbefreiung dank eines Fahrraddiebstahls und einiger Kneipen-Rauswürfe zart, anrührend und ohne jede Überzeichnung.
Marzia Marzo und John Carpenter entfalten als heimliches Kleinstadt-Liebespaar ähnlich erstklassige Qualitäten als Sängerdarsteller: Die Italienerin hat einen schönen, warm getönten Mezzo, der junge Amerikaner gebietet über einen flexiblen, eleganten Bariton mit metallischem Kern. Es ist wundervoll, wenn sich die beiden Stimmen in den kurzen Duetten mischen.
Lesen Sie auch unser Interview mit dem Regisseur Róbert Alföldi
Fast noch eine Spur besser ist Deniz Uzun als bösartige Haushälterin der herrischen Lady Billows. Die junge Mezzosopranistin aus Mannheim charakterisiert die verhärmt-frustrierte Denunziantin mit brustigen Tief-Tönen. Auch die Chargen entfalten viel Zauber: Johannes Kammler singt den Pfarrer mit hellem, geschmeidigem Bariton. Igor Tsarkov leiht dem Polizeichef seinen kräftigen Bass. Die Sopranistin Leela Subramanian gibt die geschäftige Lehrerin. Und auch die Solisten des von Stellario Fagione einstudierten Kinderchors der Bayerischen Staatsoper singen und spielen die frechen Gören der Kleinstadt Loxford ganz exzellent und ohne jede Schärfe.
Eine Hochdramatische hat das Opernstudio alters- und entwicklungsbedingt natürlich nicht zu bieten: Miranda Keys macht als Gast aus der Lady Billows ein weiß gekleidetes Tugendmonster. Alberts Mutter hat sich die Staatsoper dagegen vom Gärtnerplatztheater ausgeliehen. Sie wird von Ann-Katrin Naidu mit schönem Mezzo fast ein wenig zu freundlich charakterisiert.
Sachdienliche Regie
Róbert Alfödlys Inszenierung macht aus dem Stück nicht mehr, als es ist: eine harmlos-heitere Pubertätskomödie. Das ist handwerklich sauber und sachdienlich. Dass die Figuren teilweise etwas uniform kostümiert und im zweiten Akt wie Chemielaboranten aussehen, ist zwar charakterisierende Absicht. Aber es hindert die Sänger etwa an der Entfaltung scharfer Rollen-Porträts (Ausstattung: Ildikó Tihanyi und Fruzsina Nagy).
Mehr Schärfe entsteht im Graben, wo Oksana Lyniv mit Solisten des Bayerischen Staatsorchesters wieder einmal beweist, was sie für eine gute Dirigentin ist. Die heikle Akustik des Raums hat Kirill Petrenkos Assistentin straff im Griff. Die Musik klingt nie gefällig, das Stachelig-Kristalline wird scharf herausgearbeitet. Eine Chefdirigentin für Utopia hätte man also auch.
Aber es ruft keiner an. Und das hat sein Gutes: Der exzellente Nachwuchs bleibt der Bayerischen Staatsoper und ihrem Publikum erhalten. Die Gefahr, dass diese Talente zu früh mit dramatischen Partien verheizt werden, bleibt so auch gebannt.
Wieder am 8., 9., 11. und 14. April im Cuvilliéstheater, nur noch Restkarten, weitere Aufführungen in Aschaffenburg (21. und 22. 4.), Schweinfurt (25.4.), Lindau (15.5.) und Regensburg (3.6.)