Das Musical "Six" im Deutschen Theater
Heinrich VIII. führte ein skandalträchtiges Leben. Berüchtigt ist der Tudor-König für seine sechs Ehefrauen - von denen er zwei enthaupten ließ - und den Bruch mit dem Papst in Rom. Ein brisanter Stoff, den schon Shakespeare, diverse Drehbuchautoren und Komponisten in ihren Werken verarbeitet haben - und zuletzt auch die zwei Studenten Toby Marlow und Lucy Moss in einem Musical. Ursprünglich schrieben sie das Stück 2017 für das Kulturfestival Fringe in Edinburgh - wo professionelle Produzenten das Stück entdeckten und ihm schließlich zu weltweitem Erfolg verhalfen.
In "Six" dreht sich alles um die sechs Ehefrauen des Königs - der selbst gar nicht auftaucht. Sie treten in einem fiktiven Wettbewerb gegeneinander an und messen sich daran, wer am meisten unter Henry gelitten hat. Im Rahmen einer Deutschland-Tournee ist das Musical nun erstmals auch im Deutschen Theater zu sehen.
Die Bühne unterscheidet sich nicht großartig von einer herkömmlichen Konzertbühne mit vielen Scheinwerfern und einer Tribüne für die Band. Bemerkenswert ist der ausgeklügelte Einsatz der LED-Wand im Hintergrund, die stets im Einklang mit dem Gesungenen leuchtet und gelegentlich unterschwellige Bedeutungen betont - etwa wenn die Königinnen den Auftritt von Anne Boleyn ankündigen, die zu ihrer Zeit für Aufsehen weit über die Landesgrenzen hinweg sorgte. Die Bühne ist dann in gedimmt-grünes Scheinwerfer-Licht getaucht und die Band spielt bedrohlich klingende Takte, während die fünf Frauen "the temptress" (deutsch: die Verführerin) mit einer deutlichen Betonung auf dem "s" zischen. An der LED-Wand im Hintergrund schlängelt sich giftgrünes Licht an Palastsäulen empor.

Derart perfekt aufeinander abgestimmt und synchron sind die Lichteffekte, die Musik und die durchchoreographierten Bewegungen der Sängerinnen während der ganzen Show, die mehr Pop-Konzert als Musical ist. Jede der "Ex-Frauen" singt einen eigenen, auf sie zugeschnittenen Song: Boleyn etwa eine eingängige, schnelle Popnummer mit frechem Text, Seymour eine berührende Ballade.
Die Sängerinnen, die mit "Six" teilweise ihr professionelles Bühnendebüt feiern, sprühen vor Energie und singen auch herausfordernde Harmonien problemlos. Wenn eine der "Queens" ihren Song singt, werden die anderen zu Background-Sängerinnen und tanzen auch mal in Cheerleader-Formation - in knallbunten, mit Nieten und Strasssteinen besetzten Kostümen.
Nicht nur die Kleider der Königinnen orientieren sich an der heutigen Zeit und sind weniger historisch angehaucht, auch die Sprache und die Aufmachung der ganzen Geschichte, die sich im 16. Jahrhundert zugetragen hat, ist in die Gegenwart versetzt.
Henry ließ nach dem Ende seiner dritten Ehe - Jane Seymour starb nach der Geburt ihres Sohnes - zur Brautschau potenzielle Heiratskandidatinnen von seinem Hofmaler Hans Holbein porträtieren. Den Partner nach dem äußeren Erscheinungsbild auszuwählen ist eine Oberflächlichkeit, die man auch im heutigen Zeitalter des Online-Datings noch kennt. Indem auf der bewährten LED-Wand die potenziellen Kandidatinnen zum Matchen oder Wegwischen zu sehen sind, überträgt "Six" die königliche Partnersuche in die Gegenwart. Die Show bettet den historischen Stoff mit Szenen wie dieser ironisch und gekonnt in die moderne Welt ein, was einen großen Unterhaltungseffekt hat.

Der Song rund um den Deutschen Hans Holbein und die geschönten Porträts der damaligen Zeit singen die sechs Königinnen konsequent mit einem gespielt-deutschen Akzent. Diese spöttische Nachahmung der Ausspracheschwierigkeiten deutscher Englisch-Sprecher nimmt ihnen das Publikum aber nicht übel, im Gegenteil: Besonders diese schnelle Techno-Nummer mit Identifikationspotenzial umjubeln die Zuschauer.
Vordergründig handelt das Musical von den Lebensgeschichten der Frauen und einem absurden Wettbewerb, der gegen Ende in einen hysterischen Zickenkrieg ausartet - mit dem Ergebnis, dass sich die "Queens" nicht länger durch einen Mann definieren wollen. Dann wird klar: Es geht vor allem um Zusammenhalt, um Solidarität, um Emanzipation. Das Musical ist ein witziges Konglomerat aus schrillem Pop-Konzert und modernem Geschichtsunterricht - mit einem enormen Unterhaltungswert.
Bis 7. April, in englischer Sprache ohne Übertitel, Di bis Fr: 19:30 Uhr, Sa: 15/19.30 Uhr, So: 14.30/19 Uhr, 2. April spielfrei, Karten ab 25 Euro
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