"Das Liebesverbot" im Sugar Mountain: Frieren in Palermo

München - Für einen Moment scheint es, als habe uns Richard Wagner zur Pandemie und der damit verbundenen Verbots-Unkultur etwas zu sagen.
Wagners Komische Oper "Das Liebesverbot" in einem ehemaligen Betonwerk
Wenn Brighella am Beginn der Oper das Gesetz des Statthalters vorliest, wonach "Wirtschaften und Belustigungsörter aufgehoben und geräumt werden" sollen, erinnert das sehr deutlich an die eine oder andere Infektionsschutzmaßnahmenverordung, zumal der Regisseur Andreas Wiedermann den originalen Text dieser Stelle in "Das Liebesverbot" ein wenig nachgeschärft hat.
Das anlässlich des 150-jährigen Bestehens des Richard Wagner Verbands München e.V. von der freien Truppe Opera Incognita aufgeführte Frühwerk ist am Wochenende noch zweimal im Sugar Mountain zu sehen - einem ehemaligen Betonwerk in Obersendling direkt an der U-Bahn Machtlfinger Straße, in dem sich die Jugend- und Clubkultur als Zwischennutzung eingerichtet hat.
"Das Liebesverbot": Die sanfte Aktualisierung verpufft im Verlauf der Vorstellung
Die Spielstätte passt ganz gut zum hemmungslosen Hedonismus, den Wiedermann mit einer Spur Ironie zur kastagnettenklappernden Ouvertüre inszeniert hat. Auch wenn es in der Pandemie einige Politiker gegeben hat, die sich um ihre eigenen Vorschriften nur wenig gekümmert haben, verpufft die sanfte Aktualisierung allerdings im Verlauf der Vorstellung.
Denn Wagner geht es primär darum, einen Super-Moralisten als inneren Schmutzian bloßzustellen. Das sieht der schadenfrohe Zuschauer zwar immer gerne, aber als Kritik an lustfeindlichen Verboten bleibt es so allgemein, dass es über die langsam zu Ende gehende Pandemie nichts erzählt.
Ohnehin nehmen die Sizilianer in dieser Oper frei nach Shakespeares "Maß für Maß" das Karnevalsverbot eher locker, da kann Wiedermann so viel grimmige schwarze Polizei auftreten lassen, wie er will. Und die sexuelle Erpressung zwecks Freilassung eines Gefangenen im Stil von Puccinis "Tosca" mündet ohnehin in eine Verwechslungs- und Verkleidungskomödie im Stil der "Fledermaus" oder von "Le nozze di Figaro".
Regisseur Andreas Wiedermann nimmt "Das Liebesverbot" ernst
Wiedermann erzählt das klar und routiniert, aber leider ohne eine ästhetische Überhöhung, wie sie ihm in seiner in unzählige lebende Bilder aufgeteilten Inszenierung von Meyerbeers "Hugenotten" vor einigen Monaten gelang. Aber der Regisseur nimmt "Das Liebesverbot" ernst und verzichtet darauf, augenzwinkernd auf Wagners Haupt- und Spätwerke anzuspielen.
Sugar Mountain: Schwierige Akustik und frierende Zuschauer
Da wird anders als in früheren Münchner Aufführungen deutlich, wie sehr diese komische Oper sich trotz manchem jugendlichen Größenwahns würdig in die Tradition der französischen Opéra comique und der italienischen Opera buffa einreiht.
Die Kürzungen bleiben moderat, die kleine Orchesterbesetzung klingt unter Ernst Bartmanns musikalischer Leitung dank des halligen Raums fast wie das Original. Ekatarina Isachenko (Isabella), Lyriel Benameur (Mariana) und Rodrigo Trosino (Claudio) überraschen mit angenehm frischen Stimmen.
Nicht alle jungen Sängerinnen und Sänger kommen mit der deutschen Sprache so gut klar wie mit der eher schwierigen Akustik und der meist allzu großen Entfernung zur Zuschauertribüne. Dort friert man übrigens, als spiele die Oper auf einem Eisberg und nicht unter Palermos sizilianischen Palmen. Deshalb: Nehmen Sie - außer der obligaten Maske - auch einen Mantel mit.
Noch einmal am 22. und 23. Oktober (19.30 Uhr) im Sugar Mountain. Karten zu 59, 69 und (ermäßigt) 15 Euro bei Münchenticket