Warum das Kasperltheater um die Bayerische Staatsoper in München beendet werden muss
Die Auslastung des Nationaltheaters erreichte im ersten Quartal 96 Prozent. Eine überwältigende Mehrheit von 86 Prozent der Besucher ist mit der Bayerischen Staatsoper "eher" bis "sehr" zufrieden. Knapp 70 Prozent würden das Haus weiterempfehlen. "Die Zufriedenheit bei den Besuchen im Nationaltheater erreicht somit ein neues Spitzenniveau", resümiert eine Pressemitteilung vom Freitag die Lage.
Derartige Zahlen veröffentlichen Opernhäuser im Umfeld der Bekanntgabe des Spielplans der kommenden Saison oder am Ende einer Spielzeit. Aber aus heiterem Himmel?
Erfolgszahlen als Machtpoker
Trotzdem kommen diese Zahlen nicht überraschend. Sie sind Teil eines Machtpokers zwischen dem Intendanten Serge Dorny und dem Kunstminster. Das Spiel begann im Februar mit der anlasslosen Verlängerung des Vertrags von Josef E. Köpplinger am Gärtnerplatztheater bis 2030. Der Niederösterreicher wiederholt sich zwar gern, aber er ist erfolgreich und aus Sicht des Ministeriums auch pflegeleicht. Nichts sprach gegen seine Verlängerung, aber der Zeitpunkt kam überraschend und die Notwendigkeit raschen Handelns wurde der Öffentlichkeit gegenüber auch nicht begründet.

Köpplingers neuer Vertrag provozierte die Frage: Was ist eigentlich mit der Staatsoper? Ein Musiktheater mit internationalen Gästen benötigt einen langen Planungsvorlauf: Drei bis fünf Jahre sind üblich. Die Verträge des Intendanten Serge Dorny, des Generalmusikdirektors Vladimir Jurowski und des Ballettchefs Laurent Hilaire laufen aber 2026 aus. Alle drei Herren planen mit ihren Teams heute bereits Premieren, von denen sie nicht wissen, ob sie diese noch im Amt erleben.
Ein Intendant testet seinen Marktwert
Der Minister ließ zu Jahresanfang wissen, alles sei auf einem guten Weg - eine Phrase, die eher zur Beunruhigung Anlass gibt. Auf Nachfrage wurde erklärt, der vertragsgemäße Zeitpunkt, an dem über eine Verlängerung zu verhandeln wäre, sei noch gar nicht gekommen. Das lässt sich weder prüfen noch widerlegen, allerdings ist diese Klausel wegen der langen Vorläufe im Opernbetrieb bestenfalls eine Formalie.
Serge Dorny beschloss daraufhin, seinen Marktwert zu testen: Er bewarb sich um die Leitung der Salzburger Festspiele, wohl wissend, dass dort nicht ernsthaft nach einem Nachfolger für Markus Hinterhäuser gesucht würde. Und weil solche Bewerbungen irgendwann durchsickern, konnte sich der Dorny darauf verlassen, dass diese Bewerbung irgendwann einen gewissen Druck auf den Minister ausübt.

Ob das wirklich geschickt war? Bei Interviews vor der Präsentation der kommenden Spielzeit und vor der Premiere der Oper "Die Passagierin" hatten Dorny und Jurowski weitere Gelegenheiten, die ausbleibende Vertragsverlängerung zu beklagen.
Der Minister schweigt
Nach der Bestätigung Hinterhäusers in der Woche nach Ostern wäre es ein guter Moment für den Minister gewesen, das Staatsopern-Trio endlich zu bestätigen. Markus Blume aber, nun offenbar angefressen, zog es vor, zu schweigen.
Kurz vor der Veröffentlichung der Rekordzahlen ließ der Generalmusikdirektor den Minister in der vergangenen Woche noch durch die "New York Times" wissen, dass er auf eine Verlängerung seines Vertrags warte. Nun wäre wieder Blume an der Reihe - und sei es durch erneutes Schweigen.

Das Zögern des Ministers steht wohl in Zusammenhang mit Dornys bisweilen erratischem Führungsstil und einer hohen Fluktuation beim Personal. Auch das Verhältnis zum Geschäftsführenden Direktor Roland Schwab, der für das Finanzielle in der Staatsoper zuständig ist, scheint wenig harmonisch zu sein.
Für die Zukunft rüsten
Das sind Faktoren, die von außen schwer zu beurteilen sind. Am Spielplan abzulesen ist allerdings, dass der Generalmusikdirektor seine Einstudierungen zu schnell abgibt - wie bespielsweise "Così fan tutte". Er könnte auch häufiger im Nationaltheater dirigieren.
Für Vladimir Jurowski spricht allerdings die hohe musikalische Qualität seiner Aufführungen. Dem Dirigenten ist es gelungen, das nicht einfache Erbe seines sehr beliebten Vorgängers Kirill Petrenko zu mehren und nicht zu mindern. Und das ist eine beachtliche Leistung.

Die Staatsoper hat zuletzt für "Krieg und Frieden" einen wichtigen Preis erhalten. Dass nicht jedem jede Premiere der Staatsoper gefällt, ist normal. Dorny zeigt aber neue Werke jenseits der eingefahrenen Münchner Traditionen, die Premieren sind bis in kleinsten Rollen exzellent besetzt. Es bleibt eine gute Idee, einmal im Jahr ein Gratis-Konzert irgendwo in Bayern zu veranstalten. Das Festival "Ja Mai!" setzt Akzente mit Musik der Gegenwart und auch das Repertoire scheint interessanter zu werden.
Markus Blume: Mehr Wissenschafts- wie Kunstminister?
Dorny und Jurowski gelingt insgesamt eine Weiterentwicklung der Staatsoper, gleiches gilt für Laurent Hilaire mit dem Bayerischen Staatsballett. Insofern wäre es an der Zeit, das Pokern zu beenden, ehe die Institution Bayerische Staatsoper Schaden nimmt und der Eindruck aufkommt, Markus Blume wolle primär als Wissenschafts- und nicht als Kunstminister in Erinnerung bleiben.
Denn in diese Richtung ging es zuletzt. Blume liebt es, im Glanz der bayerischen High-Tech-Agenda, dem Hochschulbau und einem Spitzenprofessurenprogramm zu glänzen. Im Kunstbereich sprudelt die Kulturkaskade den Mühen der Ebene entgegen. Und hier, bei der Umsetzung der lange aufgestauten Sanierungen ist von den Betroffenen viel Kritik zu hören, allerdings weniger an Blume, sondern an seinem Ministerium, das den Bau von Interimsspielstätten verzögert.

Und damit sind wir wieder bei der Staatsoper: Auch das Nationaltheater steht vor einer Generalsanierung. Davor muss die Institution künstlerisch wie organisatorisch zukunftsfest gemacht werden. Unruhe schadet da. Es braucht klare Perspektiven. Deshalb sollte Markus Blume schnellstens den Vorhang in diesem peinlichen Kasperltheater der Vertragsverlängerung fallen lassen.
Und Serge Dorny kann sich in einer ruhigen Minute überlegen, ob es wirklich seine Position in München stärkt, wenn er sich allzuoft anderswo bewirbt.