"Das Brautkleid" in der Komödie: Etwas klemmt immer

Budget-Bedenken versus Romantik: "Das Brautkleid" in der Komödie im Bayerischen Hof.
von  Michael Stadler
Der Tischler Roland (Maximilian Laprell) mit Elke (Genoveva Mayer) in "Das Brautkleid".
Der Tischler Roland (Maximilian Laprell) mit Elke (Genoveva Mayer) in "Das Brautkleid". © Alvise Predieri

Der Reißverschluss klemmt. Und in der taufrischen Ehe klemmt bald auch was. So kann man den Beginn von Stefan Vögels Stück "Das Brautkleid" zusammenfassen, wobei aus kleinen Holprigkeiten bald größere Turbulenzen entstehen. Das Gewitter, das draußen tobt, als Juliane und Philipp von ihrer Hochzeitsfeier heimkehren, kann man als Vorbote kommender Unwetter ansehen, aber es unterstützt auch die donnernde Vorfreude der Frischvermählten hinsichtlich der anstehenden Hochzeitsnacht.

Stimmungsumschwung fulminant gelungen

Nur: Der Reißverschluss vom Brautkleid klemmt. Und die Frage kommt auf, wieviel das Kleid eigentlich gekostet hat. Den mit der Antwort verbundenen Stimmungsumschwung bekommt Regisseur René Heinersdorff bei seiner Inszenierung in der Komödie im Bayerischen Hof fulminant hin. Jan Sosniok überdreht Philipps Brünftigkeit ganz wunderbar, während Judith Richter als Juliane ihn, ebenfalls wollüstig, anstachelt, aber doch etwas Grandezza bewahrt.

Immerhin trägt sie ja (noch) ein Brautkleid der Marke "Lafarge" - zum Preis von 8000 Euro. Die genannten Kosten des Designerstücks lassen die Situation abrupt kippen. Es gibt Streit. Juliane geht alleine ins Bett. Philipp betrinkt sich auf dem Sofa, klappt den Laptop auf und bietet das Kleid auf Ebay zum Kauf an. Am nächsten Morgen müssen die beiden feststellen, dass jemand das Kleid für einen Euro erworben hat, minus den Versandkosten!

Eine Kellnerin, Elke, freut sich über das Schnäppchen, das sie beim anstehenden Eheschluss mit ihrem Partner, dem Tischler Roland, tragen will. Juliane sucht nun Elke auf, um den Faux pas ihres Gatten auszubügeln; Philipp trifft hingegen auf Roland.

Wie ökonomisches Denken der Romantik den Garaus macht

Was dabei alles passiert, soll nicht verraten werden. Stefan Vögel hat eine Komödie mit hübschen Twists geschrieben und zeigt, wie das ökonomische Denken auch die Beziehungen durchdringt und der Romantik den Garaus zu machen droht. Ein adretter, charismatischer Geschäftstyp mit Hang zum Aufrechnen ist dabei einerseits Jan Sosnioks Philipp. Auf der anderen Seite hat Elke einen Drang zur finanziellen Aufbesserung ihrer Existenz.

Es macht Spaß, Genoveva Mayer als Elke beim verschlagenen Kalkulieren zuzuschauen. Schwarz gekleidet ist sie, eine Bösewichtin im Stile einer Lady Macbeth, die auch die Geschicke ihres zukünftigen Gatten Roland lenken will. Maximilian Laprell spielt diesen etwas sehr laut, aber auch sehr lustig als Handwerkstypen der kernigen, ehrlichen, etwas naiven Art. Beide, Elke und Roland, sprechen Baierisch, was das heimelige Münchner Gefühl in der Komödie im Bayerischen Hof noch verstärkt.

Juliane (Judith Richter) als Identifikationsfigur

Am wenigsten komödiantisch konturiert wirkt Judith Richter als Juliane, bietet sich aber als Identifikationsfigur an, die in aller emotionalen Offenheit oft auch frontal zum Publikum steht. Ihre Flitterwochen hätte Juliane gern in Venedig verbracht, aber Philipp konnte sich von seinem Job nicht loseisen. Der Weg der Inszenierung, nicht das Stücks, führt dann aber doch in die Gondelstadt und zu schlaglichtartigen Szenen, bei denen die beiden holzigen Bühnenelemente mitsamt den darin liegenden Interieurs (Ausstattung: Ex-Intendant Thomas Pekny) noch einige Male gedreht werden.

René Heinersdorff nimmt sich einige Freiheiten gegenüber der Vorlage, verschränkt Szenen zwischen den Paaren und lässt eine Bühnenarbeiterin stoisch-witzig den Bühnenrealismus durchbrechen. Zudem bemüht er sich um etwas modernere Geschlechterbilder, wenngleich immer noch Sätze über "die Männer" und "die Frauen" fallen.

Immerhin: Während die Einkommensverhältnisse von Philipp und Juliane im Stück bei 70 zu 30 Prozent liegen, hat Heinersdorff die Distanz auf 60 zu 40 verringert. Dass man einer zentralen Wendung doch mit einigem Wohlwollen folgen muss, trübt das Vergnügen kaum.

Szenenapplaus bei Premiere

Das Premierenpublikum war begeistert und spendete Szenenapplaus. Man hat sich ja vielleicht auch wiedererkannt, vor allem in dieser Hin- und Hergerissenheit zwischen Kosten-Nutzen-Rechnungen und romantisch-spendablem Laissez-faire. Im eigenen Beziehungsleben klemmt ja auch immer irgendwas irgendwo, aber mit Flexibilität und Humor kommt man schon durch.


Komödie im Bayerischen Hof, bis 19. Juni, Karten unter Telefon 089-29 28 10 oder 29 16 16 33

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