"Dalibor" im Martini-Park

Das Staatstheater Augsburg zeigt die selten gespielte Oper „Dalibor“ von Bedøich Smetana
Robert Braunmüller |
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Scott MacAllister als Dalibor in der Neuinszenierung von Bedøich Smetanas Oper am Augsburger Staatstheater.
Jan-Pieter Fuhr Scott MacAllister als Dalibor in der Neuinszenierung von Bedøich Smetanas Oper am Augsburger Staatstheater.

An dieser Oper klebt das Etikett vom „tschechischen Fidelio“. Richtig daran ist, dass sich Milada in Männerkleidern im Gefängnis einschleicht, um Dalibor zu befreien. Aber das war’s auch. Der Kerkermeister verrät sie, der Minister ist ein Schuft, des „besten Königs Wink und Wille“ manifestiert sich in der Niederschlagung einer Befreiungsbewegung. Nur die Musik schafft es am Ende noch mit Ach und Krach, den brutalen Untergang in einen moralischen Triumph umzudeuten.

Bedøich Smetanas 1868 in Prag uraufgeführte Oper „Dalibor“ braucht einen Spezialisten für das Düstere. Den hat das Staatstheater Augsburg in Roland Schwab gefunden, der 2015 im Nationaltheater Arrigo Boitos „Mefistofele“ herausbrachte. In der Ausweichspielstätte des Theaters, einer umgebauten Halle im Textilviertel, lässt er den Zuschauer spüren, wie sich eine Diktatur anfühlt.

Das ist nicht einfach, wenn Klischees auf der Bühne vermieden werden sollen. Schwabs Inszenierung ist nicht frei von Überspitzungen, aber letztlich gelingt ihr die Gratwanderung. Die Schergen schießen den Systemkritikern schon mal vorsorglich ins Bein. Am Beginn blickt der Chor wie am Schluss einer „Götterdämmerung“ in eine gleißend neblige Helle, aus der nichts Gutes kommen kann. Im zweiten Akt werden Vorbereitungen zum Waterboarding gezeigt. Schwab beschränkt sich dabei mehr auf Andeutungen, die das Wohlgefühl des Zuschauers mehr stören als allzu direkte Theater-Gewalt. Er macht allerdings unmissverständlich deutlich, dass die Folterer Dalibors latente oder offene Homosexualität als Angelpunkt benutzen, um seine Persönlichkeit zu brechen.

Ein starker Auftritt der Augsburger Philharmoniker

Scott MacAllister singt die Titelpartie mit metallischem Tenor strahlend, spielt aber einen eher vierschrötigen Anti-Helden. Das widerspricht sich nicht, weil Smetanas Musik mit schwelgerischem Glanz die innere Freiheit des Helden herausstellt, wenn Dalibor vom Geigenspiel seines ermordeten Freundes Zdenìk träumt, den er mit seiner Retterin gleichsetzt.

Dass sich Milada (Sally Du Randt) plötzlich in den Mörder ihres Bruders verliebt, ist schon bei Smetana schwer zu glauben. Bei Schwab ist es die pure Verzweiflung über das Terrorregime des Königs Vladislaw, den Alejandro Marco-Buhrmester als elegant grau melierten Edel-Schurken spielt. Der grapscht an Milada herum und verwandelt das zur Trocknung ihrer Tränen entfaltete Taschentuch denkwürdig ausführlich wieder in ein kleines Rechteck zurück. Dass man ihm sein schmalziges Leid am eigenen politischen Treiben nicht abnimmt, gehört zu den vielen klugen Schärfungen der Charaktere dieser Inzenierung durch innere Widersprüche.

Die Handlung tritt in „Dalibor“ gelegentlich auf der Stelle. Aber das stört in dieser sehr dichten Aufführung nicht, weil die Augsburger Philharmoniker alles zusammenhalten. Weil es im Martinipark keinen Orchestergraben gibt, sind sie besonders präsent. Unter ihrem Generalmusikdirektor Domonkos Heja kultivieren sie einen melancholischen Sehnsuchtsklang, der die Düsternis der Inszenierung zugleich unterläuft und steigert.

In dieser Aufführung ergänzen sich Musik und Szene ungewöhnlich gut. Auch wenn – abgesehen von Scott MacAllister – eher mäßig gesungen wird: Smetanas Oper „Dalibor“, die außerhalb Böhmens nur selten gespielt wird, ist einen Abstecher nach Augsburg wert.

Wieder am 21. und 23. Oktober, 1., 18. November, 16. und 29. Dezember im Martini-Park, Provinostraße 52, www.staatstheater-augsburg.de

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