"Comedian Harmonists" - Absolut hinreißend
München - Beinahe wäre Johannes Heesters ein Comedian Harmonist geworden. Aber er bestand auf bezahlte Proben, weshalb ihn Harry Frommermann aus dem Casting für seinen neuen A-cappella-Chor nach Vorbild der amerikanischen Gruppe "The Revelers" gleich wieder rausschmiss.
So erzählt es jedenfalls die temporeiche erste Szene der Revue "Comedian Harmonists" in der Komödie im Bayerischen Hof, bei der selbst der Weihnachtsmann keine Chance zum Mitsingen hat. Es ist keine reine Wiederaufnahme der Erfolgsinszenierung von Axel Stöcker aus dem Jahr 2000. Von der damaligen Besetzung ist nur noch Manfred Stecher als der Gründer des sagenhaften Ensembles übrig.
Männliche Sänger mit "schönklingenden Stimmen" und "nicht über 25" gesucht
Frommermann suchte damals über eine Zeitungsanzeige männliche Sänger mit "schönklingenden Stimmen" und "nicht über 25". Als junge Kerle Anfang 20 gehen die neue Besetzung in der Komödie allerdings nicht durch und die jugendliche Frische muss man sich ein wenig zurecht denken. Aber was die Klangschönheit der beiden Tenöre, der beiden Baritone und des Basses angeht, bleibt kein Wunsch offen. Dazu kommt Erwin Bootz, den Mann am Klavier, den Oliver Hahn sowohl mit der professionellen Strenge eines musikalischen Leiters als auch einer gewissen Undurchschaubarkeit ausstattet.
Klaus Steppenberger ist der hagere Womanizer Ari Leschnikoff, Michael Birgmeier ein sanfter Roman Cycowski, Florian Drexel der clevere Robert Biberti und Michael Adt der weiche Erich Collin und Manfred Stecher der dominante Harry Frommermann, der dennoch nicht verhindern kann, dass Bootz schnell der bestimmende Arrangeur wird. In den neun Nebenrollen beeindruckt Wolfgang Haas - vor allem als der SA-Mann, der am 13. März 1934 in München dem Publikum nahelegt, diese "nichtarische" Darbietung zu verlassen. Das verhinderte freilich nicht, dass die Gruppe in der ausverkauften Tonhalle in der Türkenstraße frenetisch gefeiert wurde.
Gottfried Greiffenhagen schrieb die szenischen Skizzen, die den Weg der Comedian Harmonists zwischen 1927 und 1935 schildern, von der wirtschaftlich wie künstlerisch konfliktreichen Gründungsphase über die triumphale mediale Präsenz im Konzertsaal, im Radio, auf der Schallplatte und im Kino bis zur Zerschlagung durch die Nationalsozialisten, die nicht nur Anstoß nahmen an dem englischen Namen, sondern vor allem an den drei jüdischen Mitgliedern. Dabei wird völlig unaufgeregt und doch nachdrücklich vom antisemitischen Klima bereits in der Weimarer Republik erzählt und wie es auch die Sängertruppe vergiftet.
Die Dialoge sind nicht die stärksten Momente der fast dreistündigen Aufführung, aber das 1987 uraufgeführte Stück lebt vor allem von den von Franz Wittenbrink zubereiteten Liedern. Die Songliste bildet die Breite des musikalischen Œuvres umfassend ab: Gehobener Blödsinn wie "Ein kleiner grüner Kaktus", unwiderstehlich gut Gelauntes wie "Veronika, der Lenz ist da", tief empfunden Sehnsüchtiges wie "Liebling, mein Herz lässt dich grüßen" oder herzzerreißend Schmerzvolles wie "Irgendwo auf der Welt".
Das lässt sich auch 90 Jahre danach noch gut hören, vor allem, wenn es so kompetent und liebevoll rekonstruiert wird wie hier. Das Prädikat "absolut hinreißend" ist nur eine unzureichende Beschreibung für die gesanglichen Qualitäten des Sextetts, das am Ende ein dankbar jubelndes Publikum mit drei Zugaben beschenkt.
Komödie im Bayerischen Hof, Promenadeplatz 6, bis 24. Oktober 19.30 Uhr, sonntags 18 Uhr, Telefon 29161633
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