Cohen-Hommage im Metropoltheater: In der Tiefe von tausend Küssen
München - Wenn das Publikum in einem ganz und gar säkularen Theatersaal innig und gemeinschaftlich "Hallelujah" singt, ist das nur damit zu erklären, dass der Geist von Leonard Cohen über allem schwebt.
Leonard Cohen: Eine Ode an einen alle bisher bekannten Formen sprengenden Literaten
"Deswegen seid Ihr doch nur da", kündigt Kathrin von Steinburg die Schlussnummer des Abends und den größten der vielen überlebensgroßen Hits von Leonard Cohen an. In den Siebziger und Achtziger Jahren durfte es keine Plattensammlung Heranwachsender geben, in der nicht mindestens eine Leonard-Cohen-Platte stand.
Andererseits waren zur Premiere, die auch Münchens Ex-OB Christian Ude mit Gattin besuchte, auch überraschend viele junge Gesichter zu sehen. Die Magie des kanadischen Singer-Songwriters scheint erblich zu sein. Das ist idealer Stoff für die Reihe "Eine Verbeugung vor…", mit der das Metropoltheater verdienten Helden der Pop- und Rockgeschichte wie schon Neil Young oder Simon & Garfunkel huldigte.
Altersmäßig sind Kathrin von Steinburg und Jakob Tögel irgendwo dazwischen - wie Cohens Identität als Künstler selbst, der von der Industrie sowohl beim Pop als auch bei Folk und gar Indierock einsortiert wird. Das hängt wohl damit zusammen, dass er kein Musikstar werden wollte, sondern - inspiriert von den Beatnik-Schriftstellern wie Jack Kerouac oder Allen Ginsberg - ein alle bisher bekannten Formen sprengender Literat.
Dabei sah er sich stärker als diese eingebettet in seine jüdisch geprägte Religiosität und die Auseinandersetzung mit anderen "spirituellen Systemen". Oft geht es ums Scheitern in den von Melancholie tief durchtränkten Chansons, und - wie immer, wenn die ganz großen Erfolgsstorys erzählt werden - liegen Triumph und Niederlage ganz nah beieinander.
Steinburg und Tögel tauchen als Ich-Erzähler in Cohens Erinnerungen ein
Natürlich ging anfangs nicht alles glatt. Bei seiner Plattenfirma Columbia, die später seine Alben veröffentlichte, versuchte man zunächst den als "Poeten aus dem Norden" verspotteten Liedermacher abzuwimmeln: "Wir wissen, dass Sie etwas ganz Besonderes sind. Wir wissen aber nicht, wie gut sie sind". Solche Episödchen und Anekdötchen tauchen im Programm immer wieder auf und von Steinburg und Tögel tauchen als Ich-Erzähler dabei in Cohens Erinnerungen ein.
Dazu gehört die Begegnung mit dem Folk-Star Judy Collins, die ihm beim von ihr veranstalteten Newport-Festival 1967 den ersten Auftritt ermöglichte, und den er, geschüttelt vom Lampenfieber, beinahe verpatzt hätte. Zum ersten Mal öffentlich aufgeführte Songs wie "Suzanne" oder "So Long, Marianne" gehören inzwischen zum Klassiker-Repertoire und fehlen selbstverständlich auch in der nach einem erst im Todesjahr 2016 erschienenen Spätwerk betitelten Metropol-Show "A Thousand Kisses Deep" nicht.
Cohen nicht einfach reproduziert: Steinburg und Tögel finden einen eigenen Sound
Den Schmelz und den Spirit haben die Schauspielerin, die mit voluminöser und doch leichter Stimme den Songs eine unerhörte Weiblichkeit gibt, und der für einfühlsame Gitarren und Percussion zuständige Schauspieler kitschfrei nicht einfach reproduziert, sondern sie finden einen eigenen Sound.
Vor allem ihr Duettgesang lässt ein wenig ahnen, wie sich eine Tiefe von tausend Küssen anfühlen könnte. Nach 90 Minuten will sie eigentlich niemand gehen lassen, aber der Abend endet dann doch nicht so dramatisch, wie manche seiner Konzerte der letzten Welttournee 2013. Damals, so erzählt man sich, habe man Fans noch lange nach Ende des Konzerts aus den Hallen tragen müssen.
Metropoltheater, 8. bis 10. Februar sowie 22. bis 24. März, 19.30 Uhr, Telefon 32195533
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