"Circus" im GOP-Varietétheater: Im Zirkus geht alles

Was für ein schöner Zufall! Im neuen Programm "Circus" des GOP-Varietétheaters wird ukrainisch-russisches Teamwork zelebriert.
von  Mathias Hejny
Hanna Levchenko verwandelt sich zur Zirkusprinzessin einer wahren Völkerverständigungstruppe.
Hanna Levchenko verwandelt sich zur Zirkusprinzessin einer wahren Völkerverständigungstruppe. © Ralph Mohr/GOP-Varietétheater

"Varieté ist bunt und international" erklärte Sandra Warwer, seit Kurzem die neue Künstlerische Leiterin der GOP-Varietétheater, vor der München-Premiere und meinte damit keine Floskel. Der Krieg, den Russland in der Ukraine führt, betrifft auch die unterhaltenden Künste. Das Ensemble, das in den nächsten Wochen am Max-Monument gastiert, wird ausschließlich aus Künstlerinnen und Künstlern des Zirkus-Theaters Bingo in Kiew gebildet. Von den elf Mitwirkenden sind zehn aus der Ukraine, und einer kommt aus Russland.

90 Minuten Pause von den bedrückenden Weltnachrichten

Das ist kein Statement zur aktuellen Lage in Europa, denn das Programm "Circus" ist längst produziert und stand vor zwei Jahren auf dem Spielplan. Seuchenbedingt kann es erst jetzt gezeigt werden. Und doch ist die Show eine starke Position nicht nur gegen diesen Krieg, sondern gegen jeden Krieg, denn, wie gesagt, das Varieté ist bunt und international. Und wer zwischendurch Pause von den Weltnachrichten machen will, ist in diesem ukrainisch-russischen Zirkus gut aufgehoben.

Das gemeinsame Spiel, die gehobene Stimmung und der überbordende Spaß beherrschen die 90 Minuten. Manchmal wünscht man sich sogar Momente in gemächlicherem Tempo und mit einem weniger krachendem Soundtrack, aber das ist Nörgeln auf hohem Niveau. Die Inszenierung von Igor Protsenko und Irina German feiert mit der Verschmelzung von Zirkus und Varieté zwei künstlerische Schwestern. Akrobatik gehört zu beiden Künsten, und wenn es schon keine echten Tiere gibt, wiehert während einer der Gute-Laune-Choreogafien immerhin einer der Artisten mit einem Steckenpferd.

Auch der Clown klassischen Zuschnitts bleibt mit einem großen Gemälde nur ein Zitat im Bühnenbild. Der Spaßmacher Eduardissimo hat sich als Zirkusdirektor verkleidet und kämpft aufs Komischste mit den möglichen und auch unvorstellbaren Merkwürdigkeiten dieses Berufs. Einen lockeren Handlungsrahmen bildet die Reise mit der Eisenbahn von Hanna Levchenko in die Welt der Sensationen. Dort findet sie sich bald als eine Zirkusprinzessin wieder. Was dann auf der Bühne passiert, ist überwiegend atemberaubend.

Bei manchen Verrenkungen graust es die Orthopäden

Die Verrenkungen und Verknäuelungen der Kontorsionsartistin Anna Pieises, beispielsweise, sind für empfindsame Orthopäden ungeeignet und wenn Alexey Bitkine aus großer Höhe am Chinesischen Mast auf seine am Boden liegende Partnerin Tatiana Bitkine zusaust, ist das richtig feiner Nervenkitzel. Im Zusammenspiel mit dem großartigen Lichtdesign macht Kateryna Kurichenko aus fünf bis etwa einem Dutzend Hula-Hoop-Reifen eine visuelle Sensation.

Richtig kraftstrotzend wird es am Boden bei der Partnerakrobatik von Vitalli Neponiashcky und Dmytro Naumenko, während Katerina Gurina am Vertikaltuch sowie Tatiana Yudina und Mayna Tkachenk als Duo an den Luftschlaufen mit viel Anmut und Eleganz hoch über der Bühne schweben.


GOP-Varietétheater, bis 1. Mai, dienstags bis donnerstags 20 Uhr, freitags und samstags 17.30 und 21 Uhr, sonntags 14.30 und 18.30 Uhr, Tel: 21 02 88 444

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