Kabarettist Christoph Fritz im Lustspielhaus: Wenn die Therapeutin aufgibt

Der Kabarettist Christoph Fritz präsentiert mit "Zärtlichkeit" im Lustspielhaus brüllend komische Abgründe.
von  Mathias Hejny
Christoph Fritz sucht in seinem neuen Programm die Liebe.
Christoph Fritz sucht in seinem neuen Programm die Liebe. © Foto: Roland Ferrigato

München - Sein erstes Bühnenprogramm hieß "Das jüngste Gesicht" und handelte von den Problemen, die sein jugendliches Erscheinen beim Umgang mit Frauen mit sich bringt.

"Scheitern in jeder Lebenslage"

Das Gesicht von Christoph Fritz wirkt noch immer sehr jung, aber mit dem neuen Solo hat er sich immerhin zum Thema "Zärtlichkeit" vorgearbeitet. Aber der Titel beschreibt mehr den dringlichen Wunsch nach Nähe als erlebte Wirklichkeit. Da der 28-Jährige außerdem ein Comedian aus Österreich ist, bewegt er sich in einer Welt aus schwindelerregenden Abgründen.

Sogar seine Therapeutin gibt die Behandlung auf, denn die Sitzungen mit ihm "ziehen sie herunter". Die landläufigen Tipps gegen Depressionen seien mit Vorsicht zu genießen. Manche empfehlen Spaziergänge, aber ein Selbstmordversuch scheiterte daran, dass er auf dem Weg zur Brücke, von der er sich stürzen wollte, zu Fuß ging und deshalb in zu guter Stimmung war.

Scheitern in jeder Lebenslage ist das, was die Fritzsche Figur vorantreibt. Auch die Methode der Affirmation prallt an seinen Selbstzweifeln ab. Sätze, die mit "Christoph Fritz ist geil, weil" beginnen, bleiben ohne Wirkung. Traurig ermahnte er das Publikum der München-Premiere im Lustspielhaus, bitte mit dem Lachen aufzuhören, wenn er von seinen Problemen wie vorzeitigem Samenerguss berichtet oder von der erotischen Annäherung an einen Igel im Garten. Die Schüchternheit, mit der er aus seinem Sexlife erzählt, ist sanft, manchmal völlig verunsichert stotternd und derart radikal, dass fast jeden Satz zum Brüller wird.

"Es ist manchmal nicht leicht, ich zu sein"

Zudem beschreibt er sich selbst als Hypochonder, litt schon an Achselkrebs, infizierte sich am Neusiedler See mit Malaria, hatte grauen Star, grünen Star, Superstar und eine Scheinschwangerschaft gemeinsam mit Masern, weshalb "ich große Angst um mein ungeborenes Kind hatte". Und doch gibt es immer wieder Momente völlig überraschender Zärtlichkeit. Das gemeinsame Pinkeln von zweien, die es eigentlich nicht können, wenn jemand anderes dabei ist, wird zu einer tief emotionalen Erfahrung.

Sogar aus dem Besuch beim Urologen kann Fritz peinlichkeitsfrei komisches Kapital zu schlagen. Zwar dreht sich Vieles ums "Untenrum", aber Christoph Fritz macht auch klar, dass, was dort geschieht oder eben auch nicht, ganz oben im Kopf entsteht. In einer Welt der perfekt Selbstoptimierer ist einer fast ein Revolutionär, wenn er in unerschütterlicher Versagensangst von sich sagen kann: "Es ist manchmal nicht leicht, ich zu sein".

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