Christof Loy über "Le nozze di Figaro"

Regisseur Christof Loy über seine Inszenierung von „Le nozze di Figaro“ an der Staatsoper – und über die Kraft der Rührung im Theater
Es ist seine siebte Inszenierung an der Bayerischen Staatsoper: Der Regisseur Christof Loy bringt zusammen mit dem Dirigenten Constantinos Caryidis Mozarts „Le nozze di Figaro“ neu heraus. Premiere ist am Donnerstag im Nationaltheater.
AZ: Herr Loy, auf Probenfotos habe ich Christian Gerhaher vor einem Modell des Nationaltheaters gesehen. Er schien sich den Vorhang umgehängt zu haben.
CHRISTOF LOY: Das sind 20 Sekunden in der Inszenierung. Die lenken in eine falsche Richtung.
Eines scheint sicher: Im Rokoko spielt die Inszenierung nicht.
Ich möchte das Augenmerk auf die Figuren lenken. Es geht mir um eine maximale Identifikationsmöglichkeit – erst für die Sänger, dann für den Zuschauer. Die Kostüme zeigen soziale Abstufungen, die aber auch nur relativ sind. Es geht um die Beziehungen der Figuren untereinander.
Kann man das Stück aus seiner Zeit lösen? So etwas wie das „Recht der ersten Nacht“ gibt es heute nicht mehr.
Im 18. Jahrhundert gab es das auch nicht. Es scheint ohnehin eine poetische Erfindung zu sein. Da scheint es mir erlaubt, „Le nozze di Figaro“ noch näher an uns heranzurücken.
Viele Regisseure halten Figaros Aufstand gegen den Grafen für einen Vor-Schein der Französischen Revolution. Wie sehen Sie das?
Die Vorlage, die Komödie von Beaumarchais, ist sicher ein Aufklärungsstück. Sie appelliert, sich des eigenen Verstandes zu bedienen und Standesschranken abzubauen. Die Oper nimmt da eher eine Gegenposition ein. Mozart behauptet: Wo die Liebe zuschlägt, in diesem ganzen Kraftfeld der Sehnsüchte und Träume, ist der Verstand machtlos.
Vertrauen Sie der Versöhnung zwischen Graf und Gräfin am Ende?
Daran nicht zu glauben, wäre sehr, sehr konventionell. Der Graf hat sich unglaublich verrannt. Es ist für ihn ein großer Schritt, in aller Öffentlichkeit, die Gräfin um Verzeihung zu bitten. Hier bedient sich die Komödie einer Technik der Tragödie – der reinigenden Katharsis durch extreme emotionale Zustände. Das ist ein Moment, wo ich auch gerührt werden möchte.
Warum ist die Rührung so wichtig?
Das ist der Moment, wo man als Mensch alle Panzer ablegt, die man sich durch Erziehung und bittere Notwendigkeiten zugelegt hat. Es ist erlaubt, im Theater diese Transparenz zuzulassen und auch zu weinen.
Wann haben Sie zuletzt im Theater geweint?
Sehr oft, zuletzt hier bei einer Probe. Ich werde immer da gerührt, wo etwas sehr Glückliches oder Schönes passiert und wo sich jemand so gut benimmt, wie man es im Leben selten erfährt.
Wann haben Sie zum ersten Mal geweint?
Bei Ingmar Bergmans Verfilmung der „Zauberflöte“ – wenn Pamina in der Feuer- und Wasserprobe wieder auf Tamino trifft und singt: „Die Liebe leite mich! Sie mag den Weg mit Rosen streu’n, weil Rosen stets bei Dornen sein.“ Auch die Szene zwischen Gurnemanz und Kundry im dritten Akt von „Parsifal“ rührt mich.
Viele Zuschauer verwirrt die komplizierte Intrige im „Figaro“.
Ich habe einen langen Weg mit der Oper hinter mir – über eine Inszenierung der Beaumarchais-Komödie zur Oper, die ich 1998 in Brüssel mit Antonio Pappano herausgebracht habe. Insofern kenne ich die Handlung sehr genau. Aber ich rate Darstellern wie Zuschauern eher, sich nicht in den Details zu verheddern und mehr die Gefühlszustände und die emotionale Reise der Figuren zu beobachten.
Wie haben Sie mit dem Dirigenten Constantinos Carydis zusammengearbeitet?
Carydis hat mir vor Probenbeginn alles am Klavier vorgespielt, damit wir gegenseitig den emotionalen Unterbau kennenlernen, den wir beide mit der Musik verbinden. Das hat sich bei den Proben fortgesetzt. Bei den Rezitativen hat er mir freie Hand gelassen: „Das ist Theater, das machst Du“.
Wie lässt sich eine in enger Zusammenarbeit zwischen Regisseur und Dirigent entstandene Aufführung im Repertoire erhalten?
Der Regieassistent, der „Le nozze di Figaro“ betreut, kennt meine Arbeitsweise seit zehn Jahren. Die szenische Betreuung ist an der Bayerischen Staatsoper sehr gut. Eine größere Gefahr sehe ich, wenn der Dirigent wechselt: Diese Aufführung braucht eine bestimmte musikalische Sprache. Aber das lässt sich schwer vorhersagen: Manche Aufführungen fallen nach der Premieren-Serie in sich zusammen, andere nicht. Dafür gibt es keine Regel: Theater ist immer voller Geheimnisse für mich.
Premiere am Donnerstag, 26. Oktober, 18 (!) Uhr im Nationaltheater, ausverkauft. Die Aufführung vom 28. Oktober wird ab 18 Uhr auf staatsoper.tv ins Internet übertragen