Christian Thielemann verteidigt sich

Christian Thielemann verteidigt sich gegen Vorwürfe, er habe Andris Nelsons aus Bayreuth weggemobbt
Robert Braunmüller |
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Bayreuth - Natürlich gilt auch für einen Wiederholungstäter wie Christian Thielemann die Unschuldsvermutung. Dass dieser Dirigent Kräche magnetisch anzieht, wusste man auch schon vor seinem effektvollen Abgang bei den Münchner Philharmonikern. Seitdem gab es manchen Zoff in Dresden. Und nun wetterleuchtet es in Bayreuth, wo Thielemann als Musikdirektor werkelt, ohne aber streng juristisch in die Leitung der Festspiele eingebunden zu sein.
Was genau Dirigenten Andris Nelsons bewogen hat, drei Wochen vor der Bayreuther „Parsifal“-Premiere um die Auflösung seines Vertrags zu bitten, ist unklar. Sein Management orakelt von atmosphärischen Störungen.

Im Umfeld der Festspielleitung zeigt man aber mit mehreren Fingern deutlich auf Christian Thielemann, der in die Arbeit seines Kollegen eingemischt habe. Mit möglicherweise gut gemeinten, aber im Endeffekt zerstörerischen Ratschlägen.

„Nelsons hat sich nicht gewehrt, er ist konfliktscheu“, sagt eine gewöhnlich gut unterrichtete Person, die nicht namentlich genannt werden möchte. „Das führt dazu, dass man dann irgendwann die Reißleine zieht.“ In einer Mail an die Kollegen zum Abschied habe Nelsons ausdrücklich betont, dass seine Entscheidung nichts mit dem Team zu tun habe, das unmittelbar mit ihm am „Parsifal“ arbeitete.

In der SZ vom Wochenende gibt Thielemann das Unschuldslamm. „Ich habe schon so viele Nachrichten an ihn geschickt, in der Hoffnung, ihn umzustimmen“, sagte er im Interview über Nelsons: „Wir sind alle traurig. Und er würde jetzt mit offenen Armen empfangen werden, wenn er zurückkäme.“

Thielemann wendet sich gegen Berichte, wonach er sich in die Arbeit von Nelsons eingemischt habe: „Es ist ein völliges Missverständnis, zu denken, der Thielemann sitzt jetzt da als Aufpasser oder er verhindert Kollegen.“
Es habe keinerlei Streit gegeben – „nicht mit mir und auch mit niemandem sonst im Produktionsteam oder der Festivalleitung“. Thielemann behauptet, er habe Besseres zu tun, als an freien Tagen in Proben von Kollegen zu sitzen. „Da würde ich lieber einen Ausflug machen oder ein Bier trinken“.

Zwischen Bayreuth eine halbe "Aida" in Massachusetts

Aber anscheinend tut er es halt doch. Worüber sich Nelsons so geärgert habe, dass er das Handtuch warf, wisse er nicht. „Womöglich spielen Dinge eine Rolle, von denen er nicht will, dass sie bekannt werden.“
Eine Anspielung auf Nelsons’ dichten Kalender? Der 37-Jährige wollte nach der Premiere in die USA fliegen und beim Tanglewood-Festival an drei Tagen drei verschiedene Konzertprogramme mit dem Boston Symphony Orchestra dirigieren. Zwei Tage nach dem letzten Konzert hätte er wieder im Graben des Festspielhauses stehen müssen. Im August hatte er in Massachusetts noch eine halbe (!) „Aida“ vor.

Thielemann lehnt dieses hektische Herumreisen ab. Wer in Bayreuth dirigiert, bleibt die ganze Zeit da und macht keine Nebenjobs. Dieses altmodische Ethos wird bisweilen belächelt. Aber es ist weder besonders gesund noch künstlerisch verantwortungsbewusst, nach einem Transatlantikflug ein fünf Stunden langes Bühnenweihfestspiel dirigieren zu wollen. Allerdings dürfte auch die Leitung der Festspiele um diese Termine gewusst haben. Sie sind seit längerem im Internet nachzulesen. Und Nelsons ist nach Valery Gergiev der Rastloseste unter den Dirigenten.

Thielemann schloss gegenüber der SZ aus, dass er Nelsons selber bei der „Parsifal“-Premiere zur Eröffnung der Festspiele am 25. Juli ersetzen werde: „Wer ernsthaft darüber nachdenken würde, dem müsste klar sein, dass mir das gar nicht zuzumuten wäre.“

Trotz der klaffenden Lücke im Dirigenten-Team zeigen sich die Bayreuther Festspiele bei der Suche nach einem Nachfolger zuversichtlich. „Wir finden schon einen“, sagte Festspiele-Sprecher Peter Emmerich am Freitag. Na, dann mal viel Glück!

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