Christian Stückl über "Wilhelm Tell"

Christian Stückl inszeniert Schillers „Wilhelm Tell“ im Passionstheater in Oberammergau
von  Mathias Hejny
Der Apfelschuss: Wilhelm Tell (Rochus Rückel) und Walther Tell (Johannes Maderspacher).
Der Apfelschuss: Wilhelm Tell (Rochus Rückel) und Walther Tell (Johannes Maderspacher). © Andy Stückl

Von der erfolgreichen Uraufführung 1804 in Weimar an bis heute ist „Wilhelm Tell“ eines der ganz besonders populären Stücke von Friedrich Schiller. Der Dramatiker wusste auch, warum: Er habe es „mit Liebe gearbeitet“ und das Ergebnis „ist ein rechtes Stück für das ganze Publikum, ein Volksstück, das Herz und Sinne interessieren soll“. Christian Stückl, der Intendant des Münchner Volkstheaters, hat das Werk über die Gründung der Schweiz für das Passionstheater in Oberammergau inszeniert.

AZ: Herr Stückl, der Ort der Handlung ist die Schweizer Bergwelt und es ist ein wenig schade, dass man vom Passionstheater aus nichts vom Ammergauer Alpenpanorama sieht.
Christian Stückl: Wir hätten vielleicht den Kofel ein bisserl dekorieren können, damit er nach Matterhorn aussieht. Aber das Theater wurde damals schon richtig gebaut. Wenn es in die andere Richtung stehen würde, würde dem Publikum die Sonne ins Gesicht scheinen. So scheint die Sonne auf die Bühne.

Was ist Ihrem Bühnenbildner Stefan Hageneier an Alpinem eingefallen?
Wir haben zu keinem Zeitpunkt an Almen gedacht. Das Bühnenbild geht in eine völlig andere Richtung. Es hat mehr mit einem ausgebombten syrischen Dorf zu tun. Man muss die Aggressivität der Habsburger, die es in dieser Zeit gab, zeigen. Nur dann begreift man, was mit dem Tyrannenmord gedacht ist. Man muss die Situation klar machen.

Wie kam es zur Entscheidung für „Wilhelm Tell“?
In Oberammergau brauche ich Stoffe, die auf der großen Bühne funktionieren. Im Volkstheater habe ich zwar schon „Don Carlos“ und „Die Räuber“ gemacht, und Schiller ist immer der Richtige auch für das Passionstheater. Aber „Wilhelm Tell“ hatte ich nie auf dem Schirm. Wenn man den Text liest, merkt man dann natürlich, dass da wichtige Fragen diskutiert werden.

Was für ein Mensch ist Wilhelm Tell?
Er ist ein junger Mensch mit kleinen Kindern und nicht der Schmied von Kochel. Er sagt: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“, oder: „Wenn man sich ruhig hält, hält sich auch die Schlange ruhig“. Er will keinen Krieg, wird aber in eine Situation hineingezogen, die ihn zu Dingen treibt, die er gar nicht will. In dem Monolog kurz vor dem Mord an Gessler sagt er: „Du hast mich zum Ungeheuren erzogen.“ Heute leben wir in einer Welt, in der viele Despoten wachsen. Was geht in einem Journalisten vor, der plötzlich in der Türkei eingesperrt wird? Das fand ich spannend jenseits von der Schweiz.

Zum „Tell“ gehört auch nationales Pathos. Ist das in Zeiten des allgemeinen politischen Rechtsrucks ein Problem?
Das nationale Pathos gibt es natürlich in dem Stück, aber ich sehe es nicht im Sinne dieses nationalen Geschwurbels, das man gerade von überall her hört. Als wir die Szene mit dem Rütli-Schwur zum ersten Mal geprobt haben, mussten die Schauspieler alle lachen und sagten: Es ist ja wie eine Gemeinderatsitzung. Schon da beginnt der Streit. Der Schwur endet dann mit „verschieben wir es auf Weihnachten“.

Wie inszeniert man den Apfelschuss?
Das hat Schiller gut gemacht. In dem Moment, in dem auf den Apfel geschossen wird, macht er auf der anderen Seite der Bühne einen lauten Streit zwischen Gessler und Rudenz auf. Alle schauen in diese Richtung, und dann ist der Apfel gefallen.

Geht es beim Neubau des Volkstheaters im Schlachthof-Viertel gut voran?
Ich bin im Augenblick sehr zuversichtlich. Der größte Schritt ist jetzt, die Baugenehmigung durchzubringen. Wir haben bisher eine Teilgenehmigung bekommen, damit wir anfangen konnten. Vor zwei Wochen wurde das Gelände der Baufirma übergeben, die dabei ist, die 17 Meter tiefe Grube auszuheben. Im Moment sind wir in allem gut im Zeitplan und ich hoffe, dass wir 2021 tatsächlich öffnen können.

Wissen Sie schon, mit welchem Stück Sie eröffnen werden?
Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht – vielleicht Brechts „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“.

Passionstheater Oberammergau, Premiere heute, 20 Uhr, Vorstellungen bis 11. August freitags und samstags, Karten unter 08822/9458888, Bustransfer ab ZOB möglich

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.