Christian Stückl über Verdis "Nabucco"
Es ist eine Oper über die babylonische Gefangenschaft der Juden – frei nach dem Alten Testament. Deshalb passt Giuseppe Verdis „Nabucco“ ins Passionstheater von Oberammergau. Premiere ist am Freitag, weitere Vorstellungen gibt es den ganzen Juli über. Christian Stückl inszeniert die Oper mit dem unverwüstlichen Chor „Va pensiero“.
AZ: Herr Stückl, in „Nabucco“ ist der Regisseur irgendwie hilflos: Irgendwann stehen alle nur noch an der Rampe, und die Oper wird zum Konzert. Was tun Sie dagegen?
CHRISTIAN STÜCKL: Die Gefahr ist gegeben, weil es viele musikalische Wiederholungen gibt. „Nabucco“ ist eine der ganz großen Choropern. Und die Massen gilt es in Bewegung zu halten.
Das können Sie doch – wie jeder weiß, der die Passion gesehen hat.
Oper ist schwieriger. Das Volk in der Passion reagiert ganz auf die Situation bezogen. Wenn man hier den Chor in Bewegung setzt, ruft der Dirigent: „Schaut zu mir her!“ Und prompt rosten alle ein. Das bringt mich als Regisseur ziemlich ins Schwitzen.
Worum geht es in „Nabucco“?
Die Oper beginnt mit der Zerstörung des Tempels von Jerusalem durch den babylonischen König Nebukadnezar. Er glaubt, seine Macht selbst aufgebaut zu haben und hält sich für größer als Gott. Im nächsten Moment zerbröselt seine Herrschaft wieder, weil seine Töchter gegeneinander kämpfen. Nichts ist von Dauer. Das war im Römischen Reich so, im „Dritten Reich“ und jetzt in der arabischen Welt.
Und da lassen Sie „Nabucco“ jetzt spielen?
Natürlich erinnert einen diese Oper unweigerlich an das, was in der arabischen Welt passiert. Aber die dortigen Ereignisse lassen sich mit den Mitteln der Oper kaum erzählen. Ich habe auch schon gesehen, dass in Aufführungen von „Nabucco“ die Juden auf den Abtransport warten. Aber hier wird nicht von der Shoah erzählt. Wer wäre dann Nabucco? Vielleicht Hitler? Und wieso bekehrt er sich dann am Ende zum Gott der Juden?
Der erste Akt spielt in Jerusalem, der Rest der Oper in Babylon. Sie haben aber nur eine große Bühne ohne Möglichkeit zur Verwandlung.
Stefan Hageneier hat einen Tempel auf die Bühne gebaut. Die Kostüme sind eher heutig. Ich denke, dass sich die Geschichte auch an einem einzigen Ort erzählen lässt.
Wie kamen Sie auf die Idee, Verdis „Nabucco“ in Oberammergau zu spielen?
Entstanden ist die Idee aus einem Auftritt der Neuen Münchner Philharmonie in Oberammergau, zur Eröffnung des Theatersommers. Ich habe dieses Orchester mit seinen vielen jungen Leuten gesehen. Und da wurde mir klar, dass ich mit ihnen eine Oper im Passionstheater machen wollte. Bei der Besetzung der Rollen hat uns dann Christian Carlstedt aus dem Casting-Büro der Bayerischen Staatsoper geholfen.
Und wer dirigiert?
Der Lette Ainars Rubikis. Er war Musikdirektor des Opernhauses in Nowosibirsk. Im April dieses Jahres wurde er dort entlassen, nachdem eine Inszenierung von Richard Wagners „Tannhäuser“ auf Druck der orthodoxen Kirche abgesetzt wurde.
Wie haben Sie den riesigen Chor zusammengebracht?
Unser Anspruch ist hier, alles so weit als möglich aus eigener Kraft und mit eigenen Leuten zu stemmen. 110 Sänger kommen aus dem Dorf. Sie singen auch im Passionsspiel. Dann hatten wir ein Vorsingen für Leute aus dem Landkreis. Diesen Chor von 150 Sängern haben wir dann mit Herren aus dem Extrachor der Bayerischen Staatsoper und dem Chor des Theaters Augsburg aufgestockt.
Was ist in Oberammergau heuer sonst los?
Ab 16. Juli gibt es Shakespeares „Romeo und Julia“ in einem Zirkuszelt neben dem Passionstheater. Abdullah Kenan Karaca inszeniert. Das Heimatsound-Festival ist schon ausverkauft.
Gibt es noch etwas, was man wissen muss?
Karten gibt’s unter www.passionstheater.de. „Nabucco“ kostet uns 1,2 Millonen Euro. Wir bekommen nur 200 000 Euro vom Kulturfonds Bayern für den gesamten Theatersommer. Auch Erdgas Südbayern unterstützt uns. Deshalb müssen wir uns vor allem durch Einnahmen finanzieren.
Premiere am 3. Juli. Auch am 5., 17., 19., 24., 26. Juli um 20 Uhr. Karten unter Telefon 54 81 81 81