Christian Stückl über Martinus Oper "Mirandolina"
Bei der zweiten Frage schnippt Christian Stückl im hohen Bogen einen Zigarettenstummel in Richtung eines Aschenbechers im Hof des Münchner Volkstheaters. Das bringt uns zur Sache: zu Carlo Goldoni, dem Erben der italienischen Commedia dell’arte. Mit dem Opernstudio der Bayerischen Staatsoper bringt Stückl „Mirandolina“ heraus – eine Oper von Bohuslav Martinu nach der auch unter dem Titel „La locandiera“ bekannten Komödie von Carlo Goldoni.
AZ: Herr Stückl, „Mirandolina“ gilt als eines der bekanntesten Stücke Goldonis. Haben Sie es zuvor schon inszeniert?
CHRISTIAN STÜCKL: Goldoni ist eine wichtige Figur in der Geschichte der Komödie: Er hat die italienische Commedia dell’arte unter dem Einfluss der Aufklärung zu einem psychologischen Theater weiterentwickelt. Ich habe die Stücke schon früh gelesen, fand aber Molière besser. Deshalb ist es eine Premiere.
Was gefiel Ihnen nicht?
Die Stücke sind alle sehr ähnlich: Männer sind hinter einer Frau her. Aber sie will nicht. Und der, den die Frau mag, mag keine Frauen.
Ewige Wahrheiten!
Stimmt. Männer- und Frauengeschichten sind immer spannend. Und mit Musik wird es gewiss etwas werden.
Sie fremdeln ein wenig mit dieser „Mirandolina“, oder?
Eigentlich geht es bei dieser Aufführung um etwas anderes: das Opernstudio der Staatsoper. Hier werden junge Sänger auf eine Karriere vorbereitet. Man hat eine Oper mit vielen Rollen gesucht. Und weil es etwas Komödiantisches ist, hat es sich angeboten, einen Schauspielregisseur zu fragen. Deshalb passt das schon.
Haben Sie nach Pfitzners „Palestrina“ im Nationaltheater vor vier Jahren noch weitere Opern inszeniert?
In der letzten Spielzeit „Ariadne auf Naxos“ in Hamburg. Ich merke, dass ich die Freiheiten mag, die das Sprechtheater bietet. In der Oper sind das Tempo und der Rhythmus vorgegeben – man muss eher überlegen, warum da nach einem emotionalen Höhepunkt plötzlich ein Zwischenspiel kommt. Deshalb werden Operninszenierungen bei mir immer Ausflüge bleiben.
Wie klingt denn Martinu?
Sehr eingängig, aber schwer einzuordnen. Wir spielen eine Fassung für reduziertes Orchester. Kennen Sie andere Werke von Martinu?
Symphonien, die Oper „Griechische Passion“: eine Mischung aus tschechischer Tradition und Neoklassizismus. Vor ihm haben auch Baldessaro Galuppi, Antonio Salieri und Johann Simon Mayr „Mirandolina“ vertont.
Es geht um Emotionen, und das zieht eben Musik an. In dieser Ferienanlage tauchen immer wieder Männer auf. die in die Wirtin vernarrt sind. Sie spielt mit ihren Gefühlen.
Ferienanlage? Sie haben das Werk in die Gegenwart verlegt?
Im Opernstudio der Staatsoper arbeiten Sänger aus der ganzen Welt: Amerikaner, Engländer, Russen, Tschechen. Mein Ausstatter Stefan Hageneier und ich wollten die nicht in Kostüme des 18. Jahrhunderts stecken. Deshalb spielt die sonst unveränderte Geschichte bei uns in einer thailändischen Hotelanlage.
Können Sie sich als Intendant Urlaub bei der Oper leisten?
Der Betrieb im Theater funktioniert nur mit einer guten Mannschaft. Die Verwaltung, das Betriebsbüro und die Dramaturgie arbeiten eigenständig. Aber ich komme jeden Nachmittag nach den Proben rüber.
Wie geht’s mit dem Volkstheater weiter?
Das Gebäude gehört dem Fußballverband. Im hinteren Bereich haben wir weitere Räume angemietet. Deren Eigentümer finden, dass sich die besser verwerten lassen. Daraus entstand die Überlegung, auf das Theater etwas draufzubauen. Dabei stellte sich allerdings heraus, dass das Volkstheater sanierungsbedürftig ist. Aber es ist die Frage, ob die Stadt Millionen in ein Gebäude stecken soll, das ihr nicht gehört. Wir haben eine Genehmigung, an der Brienner Straße bis 2020 zu spielen. Bis dahin sollte ein neues Theater stehen. Mal sehen, wie der neue Stadtrat entscheidet – aber alle Fraktionen wollen es eigentlich.
Premiere am Mittwoch, 19 Uhr, im Cuvilliéstheater. Weitere Vorstellungen am 2., 3., 9. und 11. 5. sowie im November. Infos unter Telefon 2185 – 1920