Christian Gerhaher als Posa in Verdis "Don Carlos"
Eine glückliche Eroberung von Neuland: Christian Gerhaher als Posa im Nationaltheater
MÜNCHEN - Unter all diesen Dramenmachern mit ihren egomanischen Passionen und ihren heldisch bewehrten Stimmen ist der Marquis Posa, wie ihn Christian Gerhaher verkörpert, ein ziemlicher Außenseiter. Mit einem weise-schüchternen Lächeln und einem zart schimmernden Bariton, der im Forte in tenoraler Helle erstrahlt, steht er etwa dem schwarzglänzenden Bass des Philipp in der Verkörperung durch Ildar Abdrazakov gegenüber, fast linkisch wirkend neben dessen gebieterischer Statur.
Die Opern Giuseppe Verdis sind bislang Neuland für Gerhaher, nur den Posa hat er einmal in Toulouse gesungen; er weiß, dass er für dieses Repertoire nicht gerade geboren wurde. Er muss mehr Kraft einsetzen als üblich. Aber für so eine besondere Rolle und in einer so durchdachten Anlage der Partie stellt er für jedes Ensemble eine echte Bereicherung dar. Mit dem Don Carlos dieser Aufführung harmoniert er umstandslos, das Duett im zweiten Akt wird mit seltenem Feinsinn modelliert.
Gute Partner, ein umsichtiger Dirigent
Der Koreaner Yonghoon Lee ist aber auch schier eine Idealbesetzung für die umfangreiche und anstrengende Titelpartie, seine männliche Höhe glänzt metallisch, Mittellage und Tiefe sind substanzvoll und glatt gerandet, die Phrasierung ist schmelzend. Dass dieser so verzweifelt Liebende aber auch leise Töne anschlagen kann, verdankt sich nicht zuletzt dem umsichtigen Dirigat von Paolo Carignani.
Seine bedächtige Art lässt dem Bayerischen Staatsorchester viel Atem zum Ausklingen, es sind außerordentlich viele Abschattierungen möglich, wodurch die Stimmen sehr gut gestützt werden. Für den Monolog des Philipp im vierten Akt ruft Carignani eine gedeckt melancholische Stimmung hervor, innerhalb derer sich Abdrazakov balsamisch verströmen kann. Gegenüber dem etwas unruhigen Rafal Siwek als Großinquisitor behält er die Oberhand.
Starke Figuren
Dem gebürtigen Mailänder Carignani liegt offenbar das klösterliche Opernleben mehr als das höfisch-gesellschaftliche. Bisweilen stellt sich nämlich auch dann meditative Statik her, wenn die Musik doch eigentlich fließen und sich auch einmal zu einer Sturzflut verdichten müsste, die mitreißen könnte. Da ist es gut, dass in diesem Ensemble die Damen stimmlich mehr als emanzipiert sind, vor allem die Elisabeth von Tamara Wilson mit ihrer intensiven, manchmal ein wenig engen Höhe und ihrer elfenbeinernen Färbung.
Sie kann bei der Verbannung der Prinzessin Eboli, die von Nadia Krasteva mit sensationeller Tiefe und mezzosopranistischer Glut zu einer der stärksten Figuren geformt wird, auch boshafte Züge zeigen. Peter Lobert schließlich als unheimlicher Mönch ist eine Bass-Urgewalt, der man bald einmal in einer größeren Rolle begegnen möchte.
Wieder am 19. und 22. Januar 2017 im Nationaltheater, teure Restkarten unter Telefon 2185 1920