Charly Hübner singt Schubert „Winterreise“ mit Liedern von Nick Cave

Charly Hübner verbindet im Prinzregententheater Schuberts „Winterreise“ mit Liedern von Nick Cave
Philipp Seidel |
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Charlie Hübner.
Jann Wilken Charlie Hübner.

Ab und zu ging während der Vorstellung die Tür auf: Zuhörer gingen. Die, die blieben, applaudierten nach der schlanken Stunde Vortragszeit so lange, bis Charly Hübner und das Ensemble Resonanz doch noch eine Zugabe spielten.

Auf diese Idee muss man auch erst mal kommen: Franz Schuberts Königsklassen-Liederzyklus „Winterreise“ einzubetten in Nick Caves „Mercy Seat“. Was die beiden trennt: 200 Jahre Musikgeschichte. Was die beiden verbindet: ihre dunkle Melancholie. Und die ließ den Abend mit dem Titel „Mercy Seat – Die Winterreise als Tätergeschichte“ dann doch ganz geschlossen wirken. „Mercy Seat“ erzählt von einem verurteilten Mörder, auf den der ektrische Stuhl wartet.

Das Lied fasste den Abend als Eingang und Abschluss ein, mittendrin (und dann als die erwähnte Zugabe) kam noch die Mörder-Ballade „Where The Wild Roses Grow“, der Chart-Hit au dem Jahr 1995, den Nick Cave gemeinsam mit dem Pop-Star Kylie Minogue sang – Hübner trug nur den Männer-Teil des Liedes vor.

Ein glaubwürdiger Mörder

Die Substanz des Abends bildeten die unendlich traurigen Lieder des Wanderers in der „Winterreise“ (deren einziger Hit gewissermaßen das Volkslied vom „Lindenbaum“ am Brunnen vor dem Tore ist, das sehr schön geschlossen vom Orchester gesungen wurde).

Die starken Streicher vom Ensemble Resonanz meisterten die ungewöhnliche Anforderung des Programms hervorragend. Unterstützt wurden sie im Hintergrund von E-Gitarre und Schlagzeug, das mit einem etwas überraschend einsetzenden Solo so manchen Zuhörer aus der Melancholie aufschreckte.

„Polizeiruf 110“-Star Charly Hübner, der mit raspelkurzem Haar und bisweilen irre-leierndem Vortrag durchaus als glaubwürdiger Mörder auf der Bühne stand, rezitierte vor allem die Texte der „Winterreise“ eher nach Bertolt-Brecht-Manier, als dass er sie wirklich sang, was aber völlig in Ordnung ist, schließlich ist nicht jeder Schauspieler auch gleichzeitig ein großartiger Sänger.

Die Nick-Cave-Lieder klangen da schon besser und runder, und bei „Where The Wild Roses Grow“ ging ein allgemeines Wiedererkennungs-Raunen durchs fast ausverkaufte Prinzregententheater.

Der Abend war stimmungsmäßig das denkbar krasseste Gegenprogramm zum allgemeinen Faschingsfrohsinn in der Stadt. Charly Hübner muss man vor allem für die Idee und den Mut loben, Schubert und Cave zu einem schlüssigen Abend zusammengebracht zu haben. Die beiden werden künftig aber auch wieder ganz gut alleine über die Runden kommen.

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