"Cats" ist wieder da!

Gus, die alte Theaterkatze, hat seine besten Tage eigentlich längst hinter sich. Die rechte Pfote zittert, sein Fell ist zottelig, der Körper fülliger geworden. Doch wenn Gus von seinen Bühnenerfolgen erzählt und noch mal seine größte Bösewicht-Rolle anspielt, dann lebt er gehörig auf und seine Artgenossen ebenso. Der Schauspiel-Recke streckt siegreich die Pfoten in die Höhe, neigt sein Haupt und nicht nur das Katzenvolk, das ganze Deutsche Theater spendet ihm Applaus, als ob die Zeit sich zurückdrehen lässt. Oder noch besser: als ob die Zeit und die Vergänglichkeit gar keine Rolle spielen.
Das Rekord-Musical
Womit schon fast alles über die Rückkehr der „Cats“ im Deutschen Theater gesagt ist. Am 11. Mai 1981 wurde das Musical im New London Theatre uraufgeführt und krallte sich daraufhin am Londoner West End für eine Rekordzeit von 21 Jahren fest, um auch weltweit immer wieder gespielt zu werden.
36 Jahre hat diese handlungsarme Charakterschau auf dem Katzenbuckel, und während in der Zwischenzeit alle möglichen Miezen in lustigen Youtube-Videos Furore gemacht haben oder täglich als Emojis von A nach B verschickt werden, bedarf die Show mit den Melodien von Andrew Lloyd Weber keiner Aktualisierung. Stattdessen springt einem die englischsprachige Neu-Produktion, die sich vom Londoner Westend gerade nach München getatzt hat, beherzt altmodisch ins Auge.
Ein fulminanter Abend
Wie schon Anfang der Achtziger haben sich die Jellicle Cats für ihren alljährlichen Ball auf einer Londoner Müllhalde versammelt, die Objekte im Müll, ein weißes Hemd etwa, so überdimensioniert, dass die Tanz- und Gesangskünstler in ihren Fellkostümen ein wenig kleiner und possierlicher wirken. Was mal neu war, landet im Abfall, wird gnadenlos ausgemustert – ein Schicksal, das allen Dingen und Wesen droht, ob sie nun von Beginn an billig oder edel waren.
Keine Hierarchien gibt es hier, und so erzählt auch das Musical, das auf dem 1939 erschienenen „Old Possum’s Book of Practical Cats“ von T.S. Eliot basiert, von einer Katzenwelt, in der zwischen den Ständen kaum Unterschiede herrschen. Hier hat der rockende David-Bowie-Verschnitt Rum Tum Tugger genauso seinen Platz wie der fette Kater Bustopher Jones, der sich durch die Pubs und Clubs Londons schnurrt und schnorrt.
Ein Hauch von Varieté
Wie ein Wollknäuel, mit dem ein Kätzchen vor sich hin spielt, ohne dass sie einem roten Faden entschlossen hinterherjagt, rollt dieser Abend fulminant vor sich hin. Charakter folgt auf Charakter, zwischen Massenchoreographien legt beispielsweise das Duo Mungojerrie und Rumpelteazer ein diebisch vergnügliches Pas de Deux hin.
Jede Katze hat was anderes drauf, auf dass sich variété-artig alles Mögliche vermische: Modern Dance, klassisches Ballett, Rock’n’Roll, etwas Jazz und ganz viel Achtziger-Jahr-Pop, konsequent gespielt mit schimmernden, quietschenden Synthie-Sounds, bis sich die Nackenhaare sträuben. Tolle Katzenmusik ist das, und wenn am Ende die gealterte Diva Grizabella ihre Stimme für „Memory“ nochmal hochjagt und der alte Deuteronomy sie für die Wiedergeburt erwählt, wurde die Vergänglichkeit besiegt, und es geht ab gen Himmel. Standing Ovations zuletzt - kein Wunder angesichts famos singender Katzen.
Deutsches Theater, bis Sonntag, 6. August, Tickets 55 234 - 444