"Bunbury": ein Ballerspiel mit Pointen Action
Marius von Mayenburg inszeniert Oscar Wildes Komödie „Bunbury“ im Cuvilliéstheater.
Der Autor selbst war zufrieden und urteilte 1895, sein bestes Werk abgeliefert zu haben. Offenbar lag er damit nicht falsch, denn die „triviale Komödie für ernsthafte Leute“, wie die Gattungsbezeichnung lautet, hat sich seither erstaunlich frisch gehalten. Auf den ersten Blick ist „Bunbury“ ein mit trockenem britischen Humor elegant parfümierter Lufthauch. Doch Oscar Wilde stellte mit diesem Stück in seiner nonchalanten Art ein Wasserglas in die Theatergeschichte, aus dem sich, bei angemessener Handhabung, ein Sturm entfesseln lässt.
Das sah auch Marius von Mayenburg so. Für seine Inszenierung im Cuvilliéstheater übersetzte er „Bunbury oder Von der Notwendigkeit, ernst zu sein“ neu und erforschte vor allem die Untiefen der Figuren. Nach einem elegischen Saxophon-Solo am Beginn schraubt sich die Salonkomödie mit zunehmender Dynamik zu einem actiongeladenen Videogame hoch, bei dem ebenso herzlich wie wahnsinnsnah herumgeballert wird.
Der Verlust des gut erzogenen, aber giftig ironischen Parlandos bei Tee und Gurkensandwich muss wohl als Kollateralschaden verbucht werden. Der trifft vor allem Cornelia Froboess, die die Bosheiten der alten Lady Bracknell nicht süffisant aus der Hüfte schießt, sondern ihre Pointen deutlich als witziges Aperçu erkennbar ausstellen muss.
Viel Lärm um zwei Männer, die es gar nicht gibt: Algernon (Lukas Turtur) erfand den kranken Freund Bunbury, um den Zwängen des Lebens der gehobenen Gesellschaft in der Großstadt aufs Land zu entfliehen. Das Landei John (Gunther Eckes) wiederum täuscht einen Bruder in der Stadt vor, um in urbanes Amüsement einzutauchen.
Das Chaos nimmt seinen Lauf, wenn Algernon vorgibt, Johns Bruder zu sein, darüberhinaus sich Algernon in Cecily (Genija Rykova) und John in Gwendolen (Katrin Röver) verlieben. Beide Damen haben die Eigenart, nur beim Vornamen Ernst in Wallung zu kommen (der Gleichklang von „Ernst“ und „ernst“ funktioniert im Englischen wie im Deutschen) und sind auch sonst Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs.
Die Bühne von Nina Wetzel ist dominiert von einem riesigen Bildschirm, auf dem der jeweilige Schauplatz technisch ausgeklügelt als interaktives Videospiel markiert ist – die Stadt als London-Collage im „Metropolis“-Stil, das ländliche Anwesen mit Swimming Pool und Schafherde sowie, als ginge es um den Intriganten-Clan aus „Dallas“, mit Ölbohrtürmen.
Der Clou aber ist die Drehbühne, die unermüdlich rotiert und immer wieder neue Bilder generiert. Visuell stets überraschend und als zeit- und ortlosen Jux etwas grob geschnitzt lässt von Mayenburg den Reichen und Schönen in München vom Theater aus zurufen: „Entscheidend ist nicht die Wahrheit, sondern der Stil“.
Cuvilliéstheater, 21. Dezember, 19.30 Uhr, 1., 12. Januar, 19 Uhr, Tel.: 21 85 19 40
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