Brüderle im Geiste

„Ach, ich hab’ sie ja nur...“ – die Hits aus Carl Millöckers „Bettelstudent“ gehen runter wie Öl. Theatertier Emmy Werner hat die Erfolgsoperette fürs Gärtnerplatztheater im Prinze inszeniert
Christa Sigg |
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„Ach, ich hab’ sie ja nur...“ – die Hits aus Carl Millöckers „Bettelstudent“ gehen trotzdem runter wie Öl. Theatertier Emmy Werner hat die Erfolgsoperette fürs Gärtnerplatztheater im Prinze inszeniert

Der Großvater hat das Johann-Strauß-Theater gebaut, der Papa Wienerlieder geschrieben, die Mama war Tänzerin an der Volksoper. Emmy Werner konnte der Bühne schwerlich entkommen. Doch weil es sie nie an die Rampe gedrängt hat, wechselte sie die Seite und wurde zur Grande Dame unter Österreichs Regisseuren und Intendanten. Fürs Gärtnerplatztheater bringt sie Carl Millöckers „Bettelstudent“ auf die Bühne des Prinzregententheaters.

Frau Werner, warum hat die Operette einen so schlechten Ruf?

EMMY WERNER: Sie wird selten ernst genommen. Und dann hat natürlich auch ihre unendliche Verkitschung zu dieser Misere geführt. Ich selbst bin mit der Operette aufgewachsen, zu Hause wurde dauern gesungen. Später habe ich sie dann regelrecht verachtet – um irgendwann zu merken: In der Operette findet man die schönsten Melodien!

Die Stoffe sind halt auch so eine Sache.

Sicher, dauernd geht’s um Fürstinnen, Gräfinnen, Baroninnen, das muss man heute natürlich mit einem Augenzwinkern auf die Bühne bringen. Und oft genug braucht der Text eine Auffrischung. Auch im „Bettelstudent“ haben wir einiges heutiger formuliert, zwei Drittel rausgelassen, das reicht völlig, die Handlung muss klar sein. Es ist ja kein William Shakespeare.

Was macht das Stück für uns heute interessant?

Ganz banal gesagt: die Liebesgeschichte! Hier geht es um Wahrhaftigkeit und eine Liebe, die sich über Grenzen hinwegsetzen muss.

Die beiden Adelsmädel, die aus Rache mit hochstapelnden armen Schluckern verkuppelt werden, wirken aber schon sehr naiv.

Das ist heute auch nicht mehr zu vermitteln, deshalb habe ich etwas eingegriffen. In unserer Version erkennen beide die Falle und sagen sich: O.k., das spielen wir mit. Dabei sind sie richtig verliebt, lassen ihre Verehrer aber zappeln. Die Mutter verfolgt dafür ein zeitloses Interesse. Die Kinder partout „gut“ zu verheiraten, das gibt es nach wie vor.

Wir haben noch etwas Aktuelles: Beim Schulterkuss samt „Ich hab’ sie ja nur...“ denkt man sofort an Rainer Brüderle und Konsorten.

Aber ja! Die Grabscherei, die Sprüche – und hier eben der Schulterkuss, der ja nicht harmlos ist, weil es keine vereinbarte Intimität gibt. Die brüskierte Laura setzt sich allerdings zur Wehr, knallt Ollendorf den Fächer ins Gesicht. Das ist unglaublich mutig. Wer traut sich das heute?

Der „Bettelstudent“ spielt zur Zeit Augusts des Starken.

Wir haben es aber mit einer reinen Fiktion zu tun. Deshalb können wir das Geschehen in die Zeit um 1900 verlegen. Entscheidend ist, dass die Sache in einem besetzten Land spielt! Und da übernehme ich etwas aus der Nachkriegszeit in Wien: Die Russen haben damals die noblen Hotels requiriert und dort die Leute eingesperrt. Auch unsere adligen Damen wohnen in einem vom übergriffigen Gouverneur besetzten Hotel. Die Familie ist ja völlig verarmt, im Originaltext steht, sie haben nur noch ein gemeinsames Taschentuch. Diesen Ruin, die Bredouille, in der sie stecken, muss man ernst nehmen.

Auf den Bühnenfotos sieht man historische Uniformen.

Über die haben wir lange diskutiert, aber ich kann auf der Bühne keine Anzüge mehr sehen. Wir erlauben uns einfach, traditionell zu sein. Und wir wollen die Operette nicht zerstören, wer sie ablehnt, soll Thomas Bernhard machen. Oder Gerhart Hauptmann.

Heute Premiere, 19.30 Uhr. Restkarten unter Telefon: 2185 1960

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