Brigitte Fassbaender: "Ich will die 100 schaffen"

Falstaff versucht, zwei Bürgersfrauen von Windsor mit gleichlautenden Briefen zu verführen. In ihnen findet er seine Meisterinnen: Er wird nacheinander samt Schmutzwäsche in die Themse gekippt, in Frauenkleidern aus dem Haus gejagt und im mitternächtlichen Wald gepiesackt. Brigitte Fassbaender inszeniert Otto Nicolais "komisch-fantastische Oper" im Gärtnerplatztheater, der Chefdirigent Rubén Dubrovsky steht am Pult.
AZ: Frau Fassbaender, was ist komisch und was fantastisch an Nicolais Oper?
BRIGITTE FASSBAENDER: Das Fantastische meint die Elfenwelt und den nächtlichen Spuk im letzten Bild. In einem weiteren Sinn würde ich sagen: Otto Nicolai hat fantastische Musik komponiert - etwa den atemberaubend schönen Mond-Chor. Es ist seine einzige deutsche Oper, die er nach großen Erfolgen in Italien komponierte. Leider setzten sich die "Lustigen Weiber von Windsor" erst nach seinem frühen Tod wirklich durch. Er ist kurz nach der Uraufführung gestorben.
Regisseurinnen und Regisseure suchen gern den Tiefgang hinter der Komik.
"Die lustigen Weiber von Windsor" sind eine typische deutsche Spieloper mit einer leichtfüßigen Musik. Drama und Tragik sollte man hier nicht suchen. Abgründig ist vor allem die furchtbare Eifersucht des Herrn Fluth, unter der er nicht nur selbst, sondern auch seine Umgebung leidet. Er ist ein verzweifelter Mann, der sich ständig von seiner Frau betrogen fühlt, die ihn sehr liebt. Da muss man durch die Darstellung nachhelfen, die Musik stellt das nicht dar.
Sie sagen das fast etwas bedauernd.
Tiefgang ist schwierig zu finden. Entscheidend ist bei dieser Oper die Situationskomik. Die ist schwer zu inszenieren, vor allem auch, wenn man wie ich gegen überkommene Klischees ankämpft. Um den Wäschekorb kommt man bei dieser Oper allerdings nicht herum. Das ist allerdings auch witzig.
Welche überkommenen Klischees bekämpfen Sie?
Es geht mir um bestimmte Gesten, die viele Sänger mitbringen - etwa die vielen Zeigefinger, die man oft auf der Bühne sieht. Außerdem ist es mir wichtig, dass Arien nicht nur als Publikumsnummern gesungen werden, sondern einen dramatischen Sinn haben, der eine Aktion erfordert. Manche Klischees bediene ich auch sehr bewusst.
Wer ist Falstaff für Sie?
Ein Schnorrer und Schmarotzer. Aber er hat Charme, vor allem, wenn er - wie bei uns - von einem gut aussehenden Sänger wie Levente Páll dargestellt wird. Frau Fluth hat auch durchaus Spaß an dem Spiel.

Warum haben es deutsche Spielopern in den Opernhäusern heute so schwer?
Das hat mehrere Gründe: Nur sehr wenige Dirigenten interessieren sich für diese Werke. Rubén Dubrovsky hat allerdings viel Spaß an der Sache. Außerdem tun sich internationale Ensembles mit den deutschen Dialogen schwer. Ich habe den Text sehr gekürzt, weil die Länge und die Qualität der Dialoge bei dieser Oper ein Problem sind. Bei uns wird nur das Nötigste in moderner Sprache gesagt. Dadurch bekommt die "Lustigen Weiber von Windsor" mehr Tempo. Trotzdem ist es eines der schwersten Stücke, das ich jemals inszeniert habe.
Mich wundert, dass Sie das nach Wagners "Ring des Nibelungen" in Erl sagen.
Die "Lustigen Weiber" sind schwieriger als der "Ring", aber ich kann nicht richtig erklären, warum. Es liegt an den Übergängen, die nicht ideal sind. Das macht man sich anfangs nicht klar, weil man denkt, diese Komödie würde sich von selbst spielen. Rossini fällt mir leichter. Vielleicht liegt's an meiner Mentalität, die mich nichts leicht nehmen lässt.
In welcher Zeit spielt die Geschichte bei Ihnen?
Dietrich von Grebmers Kostüme lassen die Shakespeare-Zeit anklingen, sind aber trotzdem modern. Aber es gibt keinen Kühlschrank und keine Handys. Beides halte ich für fürchterliche Klischees. Auch auf Videos verzichten wir, denn Theater ist kein Kino.

Sie haben zuletzt auch mit dem neuen Opernstudio des Gärtnerplatztheaters gearbeitet.
Ich hatte einen sehr guten Eindruck von den vier Sängerinnen und Sängern bekommen. Solche Einrichtungen bieten den idealen Übergang vom Studium zur Praxis - durch Tanz- und Sprechunterricht, auch durch den Einsatz im Repertoire.
Was haben Sie nach Nicolais Oper vor?
Die Wiederaufnahme von Wagners "Ring" in Erl für zwei komplette Zyklen mit zahlreichen Umbesetzungen. Dann inszeniere ich zwei Rossini-Einakter in Bregenz. Und nach einer Pause geht es dann mit einem schwierigen Stück von Wagner weiter, das ich nicht verraten möchte, weil es das Opernhaus möglicherweise noch nicht bekanntgegeben hat. Ich habe 92 Opern inszeniert und möchte die 100 schaffen. Altersmäßig sowieso - wenn man im Kopf klar bleibt und den Mut dazu hat, ist das kein Problem. Ich habe das Glück, in diesem wunderbaren Beruf zu arbeiten, der mich täglich fordert. Und ich bin nur in der Arbeit glücklich, und so lange es geht, verschaffe ich mir dieses Glück.
Premiere am 26. April um 19.30 Uhr im Gärtnerplatztheater, ausverkauft. Weitere Vorstellungen am 28. April, 5., 10., 12., 15., 18. und 31. Mai. Karten online und unter Telefon 2185 1960