Blut für die Brüder

Christian Stückl inszeniert Büchners Revolutionsstück „Dantons Tod” im Volkstheater
von  Mathias Hejny

Vor elf Jahren zog Lars-Ole Walburg im Neuen Haus der Kammerspiele die Revoluzzer buchstäblich in den Dreck und hetzte sie in den schlammtriefenden Gassen von Paris aufeinander. Die Ankündigung, Christian Stückl werde „Dantons Tod” nun in seinem Volkstheater inszenieren, ließ ein ähnlich kraftvolles, saftiges und farbenreiches Schauspiel erwarten. Die Überraschung nach der Premiere ist groß: Stückl, dessen kerniges Oberammergauertum sonst seine Handschrift als Regisseur prägt, verlegt die Französische Revolution ins Private. Auffällig leise und vorsichtig tastend erzählt er Georg Büchners großes Historienspektakel als Elegie über den Zweifel an Veränderung durch Revolution.

Es beginnt mit einem fast intimen Moment: Camille (Sohel Altan G.) lässt auf einem Spielwerk die Marseillaise klimpern und seine Frau Lucile (Mara Widmann) dreht sich wie ein Püppchen dazu. Wenn der Gatte politisiert, wird sie zärtlich: „Ich hör dich so gerne reden.” Geredet wird viel im Stück des erst 21-jährigen Büchner. Die Reduktion der Manifeste und Debatten auf das Kammerspielformat lässt die Mitglieder des Wohlfahrtsausschusses, der die Regierungsgeschäfte übernommen hat, zu einer Talkrunde schrumpfen.

Getagt wird in einer Wohnung, von der schwer zu sagen ist, ob sie gerade abgerissen oder neu gebaut wird. Ausstatter Stefan Hageneier richtete der Revolution eine Baustelle ein, auf der es sich der lebenslustige Danton mit Vorräten an Rotwein gemütlich gemacht hat. Die Handlung setzt in einer sehr späten Phase des Aufstands ein, als aus der Vision von Brüderlichkeit, Freiheit und Gleichheit längst eine blutige Diktatur geworden ist. Der eher familiär wirkende Rahmen erschwert dem Zuschauer, der nicht zufällig Experte für Französische Revolution ist, einen Überblick über die komplexen Frontverläufe zu gewinnen.

Leicht identifizierbarer Gegenspieler des von der Schreckensherrschaft angewiderten Titelhelden, den Pascal Fligg mit Neigung zu nicht unsympathischer Albernheit ausstattet, ist dennoch der bis zur Unmenschlichkeit tugendhafte Robespierre. Jean-Luc Bubert zeigt den Prototyp eines Machtpolitikers, der sich bis unter die Haarwurzeln seiner streng nach hinten gestriegelten Frisur kontrolliert. Wer hingegen auch im Kopf so aufgeräumt ist wie Dantons Frau Julie, wartet nicht auf die Mörder, sondern tötet sich selbst. Schnörkellos trifft Kristina Pauls die Entscheidung und schluckt das Gift wie Hustensaft.

Volkstheater, Samstag, 4., 5., 23., 27. November, 2., 3. Dezember, 19.30 Uhr, Tel. 5234655

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