Bemühter Antifaschismus mit Cecila Bartoli: "La clemenza di Tito" in Salzburg

Die Ouvertüre rast im Prestissimo mit sprudelnden Bläsern dahin, als gelte es einen tollen Tag samt der Hochzeit eines gewissen Figaro anzukündigen. Später sorgt "La clemenza di Tito" beim Pfingstwochenende der Salzburger Festspiele im Haus für Mozart tatsächlich für Erheiterung, wenn sich Cecilia Bartoli vor dem Anschlag auf den römischen Kaiser ein schwarzes Hoody überzieht, um zur Terroristin zu werden. Das ist ein großer Moment unfreiwilliger Komik.
Die Mezzosopranistin hat die Partie des Sesto vor fast 30 Jahren unter Christopher Hogwood aufgenommen, aber nie auf der Bühne gesungen. Ihr Debüt kommt durchaus nicht zu spät: Ihr Mezzosopran hat den üppigen Wohllaut bewahrt, die Koloraturen sind nach wie vor sicher, ihre Darstellung intensiv.

Manierierte Begleitung
Störend ist nur, dass der Dirigent Gianluca Capuana der Primadonna allzu ergeben scheint. Gerade in ihren Arien dominieren Verzögerungen, mit denen Vokalkunst und musikalische Ausdrucksgesten wie Museumsstücke vorgeführt werden. Darunter leiden die Form und die Natürlichkeit, was besonders bei einer Inszenierung auffällt, die wie ein Politkrimi in gegenwärtigen bürokratischen Räumen spielt.

Daniel Behle übertrifft als Titus die Bartoli. Er kommt mühelos mit den anspruchsvollen Arien zurecht, die eine heroische Lyrik fordern, die nur sehr schwer zu treffen ist. Der 50-jährige Tenor singt mit Geschmack und einer technischen Sicherheit, als wären Bravourarien eine natürliche Form der Konversation. Besser ist diese Rolle in den letzten 30, 40 Jahren nicht gesungen worden: Behle ist ein Sänger auf dem Höhepunkt seiner Kunst, die er sich - hoffentlich - trotz Ausflügen ins Wagner-Fach bewahrt.
Knackiger Originalklang
Bei der Vitellia scheint jemand die Idee gehabt zu haben, die böse Intrigantin müsse mit einer scharfen und unschönen Stimme charakterisiert werden. Alexandra Marcellier hat ein unangenehm gaumiges Timbre. Und leider fehlt es ihr auch an dem maximalen Tonumfang, den ihre Arie "Non più di fiori" verlangt. Hier störten auch die extremen Tempo-Rückungen des Dirigenten, mit denen die Rondo-Form völlig verwischt wurde.

Anna Tetruashvili steigerte sich als Annio im Lauf der Vorstellung so, dass man von ihr auch gerne einen Sesto hören möchte, Mélissa Petit (Servilia) und Ildebrando D'Arcangelo (Publio) rundeten das Ensemble ab. Die Musiciens du Prince - Monaco sorgten für einen knackigen, frischen Originalklang. Dass Capuana eher die Nähe dieser späten Opera Seria zur Formelhaftigkeit barocker Musik betonte, bestätigt eher die üblichen Vorbehalte gegen Mozarts letzte Oper, die bei Teilen des Publikums noch immer als steifes Auftragswerk zweiten Ranges gilt.
Bemühter Antifaschismus
Der Regisseur Robert Carsen versuchte sich in einer Art "House of Cards" vor den Fahnen Italiens und Europas. Das konnte nicht funktionieren, weil die Heiratswünsche eines Ministerpräsidenten in einer Demokratie völlig unwichtig sind. Weil alle Kastratenrollen in Frauenrollen übersetzt wurden, kam es im hyperrealistischen Ambiente mit Kaffeekannen, Aktentaschen und MacBooks zu einer überraschenden Häufung lesbischer und bisexueller Beziehungen. Am Ende wollte der Regisseur mit Anspielungen auf den Sturm des Kapitols offenbar vor dem Faschismus warnen: Das war gut gemeint, aber leider schlecht inszeniert. Und es passte auch nicht wirklich zum munter flockigen Buffa-Tonfall, den Capuana Mozarts Partitur entlockte, wenn nicht gerade die beiden Primadonnen auf das Tempo drückten.
Weitere Vorstellungen in gleicher Besetzung bei den Festspielen im Sommer am 1., 3., 5., 8., 10. und 13. August. Karten unter salzburgfestival.at