Kritik

Bemühter Antifaschismus mit Cecila Bartoli: "La clemenza di Tito" in Salzburg

Mozarts letzte Oper mit der italienischen Mezzosopranistin und Daniel Behle im Haus für Mozart
Robert Braunmüller
Robert Braunmüller
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Ein Hauch von "House of Cards": Daniel Behle (Tito Vespasiano), Cecilia Bartoli (Sesto) und Ildebrando D'Arcangelo (Publio).
SF/Matthias Horn 6 Ein Hauch von "House of Cards": Daniel Behle (Tito Vespasiano), Cecilia Bartoli (Sesto) und Ildebrando D'Arcangelo (Publio).
Cecilia Bartoli (Sesto), Daniel Behle (Tito Vespasiano)
Marco Borrelli/SF 6 Cecilia Bartoli (Sesto), Daniel Behle (Tito Vespasiano)
Der Anschlag auf Titus (Daniel Behle).
Marco Borrelli 6 Der Anschlag auf Titus (Daniel Behle).
Alexandra Marcellier (Vitellia) mit Cecilia Bartoli (Sesto).
6 Alexandra Marcellier (Vitellia) mit Cecilia Bartoli (Sesto).
Daniel Behle als Titus.
Marco Borrelli/SF 6 Daniel Behle als Titus.
Alexandra Marcellier (Vitellia)
Marco Borrelli/SF 6 Alexandra Marcellier (Vitellia)

Die Ouvertüre rast im Prestissimo mit sprudelnden Bläsern dahin, als gelte es einen tollen Tag samt der Hochzeit eines gewissen Figaro anzukündigen. Später sorgt "La clemenza di Tito" beim Pfingstwochenende der Salzburger Festspiele im Haus für Mozart tatsächlich für Erheiterung, wenn sich Cecilia Bartoli vor dem Anschlag auf den römischen Kaiser ein schwarzes Hoody überzieht, um zur Terroristin zu werden. Das ist ein großer Moment unfreiwilliger Komik.

Die Mezzosopranistin hat die Partie des Sesto vor fast 30 Jahren unter Christopher Hogwood aufgenommen, aber nie auf der Bühne gesungen. Ihr Debüt kommt durchaus nicht zu spät: Ihr Mezzosopran hat den üppigen Wohllaut bewahrt, die Koloraturen sind nach wie vor sicher, ihre Darstellung intensiv.

Alexandra Marcellier (Vitellia) mit Cecilia Bartoli (Sesto).
Alexandra Marcellier (Vitellia) mit Cecilia Bartoli (Sesto).

Manierierte Begleitung

Störend ist nur, dass der Dirigent Gianluca Capuana der Primadonna allzu ergeben scheint. Gerade in ihren Arien dominieren Verzögerungen, mit denen Vokalkunst und musikalische Ausdrucksgesten wie Museumsstücke vorgeführt werden. Darunter leiden die Form und die Natürlichkeit, was besonders bei einer Inszenierung auffällt, die wie ein Politkrimi in gegenwärtigen bürokratischen Räumen spielt.

Der Anschlag auf Titus (Daniel Behle).
Der Anschlag auf Titus (Daniel Behle). © Marco Borrelli

Daniel Behle übertrifft als Titus die Bartoli. Er kommt mühelos mit den anspruchsvollen Arien zurecht, die eine heroische Lyrik fordern, die nur sehr schwer zu treffen ist. Der 50-jährige Tenor singt mit Geschmack und einer technischen Sicherheit, als wären Bravourarien eine natürliche Form der Konversation. Besser ist diese Rolle in den letzten 30, 40 Jahren nicht gesungen worden: Behle ist ein Sänger auf dem Höhepunkt seiner Kunst, die er sich - hoffentlich - trotz Ausflügen ins Wagner-Fach bewahrt.

Knackiger Originalklang

Bei der Vitellia scheint jemand die Idee gehabt zu haben, die böse Intrigantin müsse mit einer scharfen und unschönen Stimme charakterisiert werden. Alexandra Marcellier hat ein unangenehm gaumiges Timbre. Und leider fehlt es ihr auch an dem maximalen Tonumfang, den ihre Arie "Non più di fiori" verlangt. Hier störten auch die extremen Tempo-Rückungen des Dirigenten, mit denen die Rondo-Form völlig verwischt wurde.

Alexandra Marcellier (Vitellia)
Alexandra Marcellier (Vitellia) © Marco Borrelli/SF

Anna Tetruashvili steigerte sich als Annio im Lauf der Vorstellung so, dass man von ihr auch gerne einen Sesto hören möchte, Mélissa Petit (Servilia) und Ildebrando D'Arcangelo (Publio) rundeten das Ensemble ab. Die Musiciens du Prince - Monaco sorgten für einen knackigen, frischen Originalklang. Dass Capuana eher die Nähe dieser späten Opera Seria zur Formelhaftigkeit barocker Musik betonte, bestätigt eher die üblichen Vorbehalte gegen Mozarts letzte Oper, die bei Teilen des Publikums noch immer als steifes Auftragswerk zweiten Ranges gilt.

Bemühter Antifaschismus

Der Regisseur Robert Carsen versuchte sich in einer Art "House of Cards" vor den Fahnen Italiens und Europas. Das konnte nicht funktionieren, weil die Heiratswünsche eines Ministerpräsidenten in einer Demokratie völlig unwichtig sind. Weil alle Kastratenrollen in Frauenrollen übersetzt wurden, kam es im hyperrealistischen Ambiente mit Kaffeekannen, Aktentaschen und MacBooks zu einer überraschenden Häufung lesbischer und bisexueller Beziehungen. Am Ende wollte der Regisseur mit Anspielungen auf den Sturm des Kapitols offenbar vor dem Faschismus warnen: Das war gut gemeint, aber leider schlecht inszeniert. Und es passte auch nicht wirklich zum munter flockigen Buffa-Tonfall, den Capuana Mozarts Partitur entlockte, wenn nicht gerade die beiden Primadonnen auf das Tempo drückten.

Weitere Vorstellungen in gleicher Besetzung bei den Festspielen im Sommer am 1., 3., 5., 8., 10. und 13. August. Karten unter salzburgfestival.at

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.