Beat Fäh inszeniert "La Strada" nach Fellini

Regisseur Beat Fäh verabschiedet sich in der Schauburg mit seiner Bühnenadaption von Fellinis Film „La Strada“ vom Theater
von  Michael Stadler
Gegen die Filmbilder im Kopf: Beat Fähs Inszenierung nach Federico Fellinis Klassiker „La Strada“.
Gegen die Filmbilder im Kopf: Beat Fähs Inszenierung nach Federico Fellinis Klassiker „La Strada“. © Digipott

Regisseur Beat Fäh verabschiedet sich in der Schauburg mit seiner Bühnenadaption von Fellinis Film „La Strada“ vom Theater

Zum tosenden Premierenapplaus kommt er einmal, aber auch nur einmal auf die Bühne der Schauburg: der eigentliche Star des Abends. Denn dies ist seine letzte Vorstellung, sein Abschied, nicht nur von der Schauburg, sondern insgesamt vom Theater. Beat Fäh nimmt mit dem Ensemble den Applaus entgegen. Schlank und fit wirkt der Körper des 64-jährigen Regisseurs, der in Zukunft nicht mehr Schauspieler inszenieren, sondern die Rollstuhl-Leichtathleten des Paralympischen Nationalteams der Schweiz coachen wird; eine Aufgabe, die Fäh schon seit einigen Jahren inne hat, inklusive Medaillen für einen seiner Sportler bei den Paralympics 2016 in Rio de Janeiro.

Als Trainer muss man ein präzises Gespür für die Bedürfnisse, die Körper der Athleten haben, womit sich ein Bogen zu dem Regisseur schlagen lässt, der die Schauspieler der Schauburg zu führen weiß, in Kenntnis ihrer Eigenheiten und Qualitäten. Mit seiner Handschrift hat Fäh seit 1984 den Stil der Schauburg mitgeprägt, hat insbesondere Prosawerke für die Bühne adaptiert, darunter Jeremias Gotthelfs „Die schwarze Spinne“ (2000), Thomas Manns „Die Buddenbrooks“ (2007) und Sten Nadolnys „Die Entdeckung der Langsamkeit“ (2015). Fäh hat daraus Erzähltheater gemacht, das jede Vorlage ernst nimmt: kein wild wucherndes Regietheater, sondern präzises Schauspiel im Dienste der Geschichte, deren innerer Kern von Fäh herausgearbeitet wurde – gemeinsam mit einem Ensemble, das sich schon seit langem ausgezeichnet im Wechsel von Erzählstimmen und Rollenspiel versteht.

Abschied mit Fellini

Für seine letzte Inszenierung hat Fäh sich einen seiner Lieblingsfilme ausgewählt, „La Strada“ (1954) von Federico Fellini, was bedeutet, dass man durchaus schon Bilder im Kopf haben kann: vom bulligen Anthony Quinn, der als Straßenkünstler Zampano durch die tristen Dörfer und Städte des Nachkriegs-Italiens zieht und mit seinem bloßen Körper Ketten sprengt, derweil seine Assistentin Gelsomina die Trommel schlägt. Wie Giulietta Masina diese Gelsomina spielt, geschunden von ihrem Herrn Zampano und doch ihm liebevoll verbunden, ist unvergesslich.

Aber Fäh hat mit Lucca Züchner eine Hauptdarstellerin, die ebenfalls hinreißend das Kind in sich entzündet: Staunend blickt Züchners Gelsomina in die Welt, hat keinen Vorhalt für das, was ihr passiert, sondern ist stets verletzbar, bewahrt sich aber trotz der Bosheit ihrer Umwelt eine Freude am Leben, eine Bereitschaft zu lieben.

Gute Darsteller

Dass ihr Chef sie sexuell missbraucht, deutet Fäh noch deutlicher als der Film an: Da schickt Zampano Gelsomina zum Schlafen in den Wohnwagen, mit dem sie durch die Lande ziehen, und lässt die Hosen fallen, setzt Gelsomina prompt auf seinen Schoß. Für die Gewalt findet Fäh insgesamt schlüssige Bühnenübersetzungen, macht sie per Geräusch und Wucht der Bewegung spürbar. Und auch die drei Rhönräder, die multifunktional auf der von Glühbirnen beleuchteten, als Zirkusrund angelegten Bühne eingesetzt werden, können zur Waffe werden und den Menschen fies einzwängen. Es ist beeindruckend, was Beat Fäh und Röhnrad-Trainerin Monika Väthbrückner mit den Schauspielern an Kunststücken und sprechenden Bildern erarbeitet haben.

Da rollt Regina Speiseder, vor allem als Erzählerin und in hübschen Nebenrollen wie der wildkatzigen Zirkuschefin besetzt, im Rad eingespannt über die Bühne. Oder da verwandeln sich die runden Stahlgerüste in die Türen des Restaurants, in das Zampano mit Gelsomina einkehrt, und der ebenfalls fein akrobatische Nick-Robin Dietrich hängt sich als Kellner zwischen die Streben, um sich zu den Gästen hin- und her zuneigen. Oder Markus Campana steht als Matto oben auf dem Röhnrad, ein Seiltänzer, der mit seiner Kunst niemals abstürzt und ein viel höheres Risiko eingeht, wenn er sich frech gegenüber Zampano verhält.

Dieser Matto wird Gelsomina etwas über Selbstachtung beibringen – die Szenen zwischen Markus Campana und Lucca Züchner gehören, wenn auch mitunter sehr entschleunigt, zu den schönsten der Inszenierung.

Was man gerne sieht

Als einer der Erzähler zeigt Peter Wolter witzig, wie ein „Zeitsprung“ und „Ortswechsel“ aussieht. Und den Drive fürs Zirzensische gibt Greulix Schrank – er hat mit Taison Heiß den spleenig-rhythmischen bis melancholisch-atmosphärischen Soundtrack komponiert – als im Rund wandelnder Musikant, der sich mittels Fell zum Stier verwandeln kann, als Spiegel für den animalischen Zampano.

Den hat Fäh gegen den Strich besetzt, mit dem schlanken, ranken Thorsten Krohn, der mit klaren Gesten den strengen Gebieter mimt, der erst am Ende einsieht, dass er mit seinem Verhalten viel verloren hat.

Am Ende inszeniert Fäh zwar die Verzweiflung, aber nicht die Einsamkeit des brutalen Außenseiters. Die Bühne ist gefüllt mit den Erzählern, und sie rollen die Röhnräder zu einer Art Visionstunnel hin. Das wirkt wie eine Entscheidung dafür, dass Theater eben keine Solo-Show, sondern eine Teamleistung ist – ein passendes Schlussbild für einen Zeremonienmeister, der mit seinem letzten Kraftakt eine Form von Theater beschwört, die man weiterhin gerne sehen möchte.

Schauburg, Franz-Joseph-Str. 47, nächste Vorstellungen: Di, 19.30 Uhr; Mi, 10.30 Uhr; Di, 31.1., 19.30 Uhr; Karten 233 371-55

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