Bayreuther Festspiele: Tratsch aus der Kantine
Ohne all die Vorab-Aufgeregtheiten wären die Bayreuther Festspiele fast langweilig. Das Repertoire ist eng: eine Auswahl aus den zehn kanonischen Musikdramen Richard Wagners. Die Aufführungsstätte – das Festspielhaus auf dem Grünen Hügel – lässt weniger Extravaganzen als die Salzburger Festspiele zu.
Auch die Gästeliste zur Eröffnung birgt keine Überraschungen. Bundeskanzlerin Angela Merkel kommt, wie meistens. Und der unvermeidliche Thomas Gottschalk samt Gattin. Harald Krassnitzer wird erwartet. Diese Promis lädt das Bayreuther Rathaus ein. Warum eigentlich einlädt, weiß keiner.
Streit unter Halbschwestern
Rund um den Grünen Hügel brodelt vom Frühsommer an verlässlich die Gerüchteküche. Von Streit unter Halbschwestern wird geraunt. Über ein angebliches Hügelverbot für Co-Chefin Eva Wagner-Pasquier, die die Festspielleitung von September an ihrer Halbschwester Katharina allein überlässt, ist zumindest kurz vorher nichts mehr zu hören.
Dabei sind eigentlich die Fakten heuer spannend genug: Festivalchefin Katharina Wagner wird die Eröffnungspremiere „Tristan und Isolde“ am 25. Juli selbst inszenieren. 2007 debütierte sie als Regisseurin am Grünen Hügel. Damals leitete noch ihr Vater Wolfgang die Festspiele. Ihre „Die Meistersinger von Nürnberg“ wurde wegen mutiger Anspielungen auf die Nazi-Vergangenheit Bayreuths heftig ausgebuht. Aber insgesamt wirkte ihre Deutung ein wenig plakativ.
Einige weitere Regiearbeiten hat die 37-Jährige vorzuweisen – doch der große Durchbruch als Regisseurin ist ihr noch nicht gelungen. Ihr Stil wirkt epigonal: wie eine Mischung aus Hans Neuenfels und Frank Castorf und anderer Regietheaterheroen der Nullerjahre.
Wen duldet Thielemann neben sich?
Dirigent der Aufführung ist Christian Thielemann. Er wird schon das Schlimmste verhindern, hoffen konservative Wagnerianer. Der Meister des deutschen Klangs hat einen pompösen Titel dazubekommen – möglicherweise als Ausgleich für die entgangene Chefposition bei den Berliner Philharmonikern: Er darf sich Musikdirektor der Bayreuther Festspiele nennen. Die Gesellschafter haben ihn mit einem entsprechenden Vertrag ausgestattet.
Er könnte im künstlerischen Bereich – etwa bei der Sängerbesetzung – Aufgaben übernehmen, die bisher Wagner-Pasquier innehatte. Doch was das genau bedeutet, ist unklar. Thielemann selbst äußerte sich eher diffus, und als Organisator ist er bisher nicht bekannt, um es vorsichtig auszudrücken.
„Es geht jetzt nicht um einen Orchester- oder Choraufpasser oder gar um einen Musikdirektor, der keine anderen Dirigenten ranlässt, was ja die große Befürchtung dann immer ist“, sagte Thielemann kürzlich in BR Klassik ziemlich wolkig. „So eine Position ist dazu da, um das Handwerk ein bisschen zu vermitteln.“ Das bedeute nicht, dass er sich in Produktionen einmische, in denen er nicht selbst dirigiere. Aber er gebe gerne seine Erfahrungen weiter: „Bayreuth ist mir einfach ein Herzensanliegen geworden.“
Thielemann ist fraglos einer der großen Wagner-Dirigenten. Aber als künstlerischer Leiter agierte er wie der Elefant im Porzellanladen. Bei den Münchner Philharmoniker vergraulte er als eifersüchtiger Generalmusikdirektor fast alle interessanten Gastdirigenten. Es ist die Frage, wen er zukünftig am Grünen Hügel neben sich dulden wird.
Krach mit Petrenko?
Schon die diesjährige Bayreuth-Konstellation ist heikel genug: Kirill Petrenko dirigiert ein letztes Mal den „Ring des Nibelungen“, ehe er den Opernvierteiler an den Veteranen Marek Janowski abgibt. Aus Münchner Sicht ist das erfreulich: 2016 dirigiert der Bayerische Generalmusikdirektor endlich auch bei den Münchner Opernfestspielen im Nationaltheater. Bislang war ihm das wegen der Bayreuther Verpflichtungen unmöglich.
Ob es zwischen Thielemann und Petrenko im späten Frühjahr gekracht hat? Vermutlich. Petrenko wirkte jedenfalls verärgert über den vorzeitigen Rauswurf von Eva Wagner-Pasquier, der auf Betreiben Thielemanns die Mitwirkung am Engagement der Sänger entzogen worden sein soll. „Nur die Verantwortung und der Respekt meinen Kollegen in Bayreuth gegenüber, die ich nicht so knapp vor Beginn der Proben im Stich lassen kann, hält mich davon ab, meine Mitwirkung aufzukündigen“, ließ Petrenko verbreiten. Er vermisse die „Menschlichkeit“ in Bayreuth, auch die verkürzte Probenzeit ärgerte ihn.
Allzumenschliches
Petrenko wirkte schwer verstimmt. Und Thielemann? Er dementierte jeden Streit und jeden Konflikt: „Es gibt weder einen Krach zwischen Sängerinnen und Sängern noch zwischen Dirigenten. Wir sitzen gemeinsam in der Kantine.“
Seltsam bleibt auch die Umbesetzung der weiblichen Titelpartie in „Tristan und Isolde“. Kurz nach nach der Wahl Petrenkos zum Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker gab Anja Kampe ihre Rolle als Isolde zurück. Über Gründe habe man Stillschweigen vereinbart, betont Festivalsprecher Peter Emmerich.
Geraunt wurde über einTechtelmechtel zwischen Kampe und Petrenko. Und einem Streit der Sängerin mit Thielemann. Aber dabei war natürlich niemand. Man dementierte und sprach von „Gossenjournalismus“. So ist das halt in Bayreuth, kurz vor dem ersten Aufzug. Doch wenn der Vorhang sich hebt, endlich, dann gilt’s der Kunst und nicht der Eitelkeit.