Interview

Barrie Kosky über die "Fledermaus"

Der Regisseur inszeniert die Operette im Nationaltheater
Robert Braunmüller
Robert Braunmüller
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
9
9
Barrie Kosky wurde 1967 in Melbourne geboren. Nach ersten Inszenierungen in Australien und als Leiter des Adelaide-Festivals wurde er ab 2001 Co-Direktor des Wiener Schauspielhauses. Seit dieser Zeit inszeniert er auch Opern. Von 2012 bis 2022 war er Intendant der Komischen Oper Berlin.
picture alliance/dpa 9 Barrie Kosky wurde 1967 in Melbourne geboren. Nach ersten Inszenierungen in Australien und als Leiter des Adelaide-Festivals wurde er ab 2001 Co-Direktor des Wiener Schauspielhauses. Seit dieser Zeit inszeniert er auch Opern. Von 2012 bis 2022 war er Intendant der Komischen Oper Berlin.
Georg Nigl als Eisenstein in der "Fledermaus".
Wilfried Hösl 9 Georg Nigl als Eisenstein in der "Fledermaus".
"Die Fledermaus" im Nationaltheater
Wilfried Hösl 9 "Die Fledermaus" im Nationaltheater
Andrew Watts als Prinz Orlowsky
Wilfried Hösl 9 Andrew Watts als Prinz Orlowsky
Katharina Konradi als Adele.
Wilfried Hösl 9 Katharina Konradi als Adele.
Der Gefängniswärter Frosch hat sich bei Barrie Kosky vervielfältigt.
9 Der Gefängniswärter Frosch hat sich bei Barrie Kosky vervielfältigt.
Diana Damrau singt die Rosalinde.
Wilfried Hösl 9 Diana Damrau singt die Rosalinde.

Die Neuinszenierung der Operette von Johann Strauß war 1998 ein legendärer Flop, trotzdem blieb die Aufführung mit Retuschen über 20 Jahre zum Jahreswechsel im Spielplan. Nun gibt es eine neue Version, die der Regisseur Barrie Kosky und der Generalsmusikdirektor Vladimir Jurowski gemeinsam herausbringen.

AZ: Herr Kosky, wenn man Ihren Namen und den Titel der Operette googelt, stößt man schnell auf ein Interview aus dem Jahr 2017 mit dem Zitat "Die ,Fledermaus' interessiert mich nicht." Wieso haben Sie Ihre Meinung geändert?

BARRIE KOSKY: Man kann seine Meinung immer mal ändern. Das Interview entstand im Zusammenhang mit meiner Arbeit an der Komischen Oper in Berlin. Und da habe ich mich auf die vergessenen Jazz-Operetten der Weimarer Republik konzentriert. Die "Fledermaus" oder die "Lustige Witwe" wollte ich dort nicht herausbringen. Jetzt, nach dem Ende der Intendanz, bekomme ich viele Angebote für Operetten, aber ich nehme nur wenige an.

Diana Damrau singt die Rosalinde.
Diana Damrau singt die Rosalinde. © Wilfried Hösl

Was hat Sie überzeugt, die "Fledermaus" in München zu inszenieren?

Es hat mit Vladimir Jurowski zu tun. Er fand, nach dem "Rosenkavalier" müssten wir zusammen auch noch das zweite große Walzer-Stück machen.

Weite Teile des Publikums genießen die "Fledermaus" wie ein Ritual in Erwartung bestimmter Witze. Ist das nicht frustrierend?

Ich habe 20 Jahre an der Komischen Oper gearbeitet, wo jeder Regisseur im Schatten von Walter Felsenstein, Joachim Herz und Harry Kupfer inszeniert. Davor fürchte ich mich nicht. Was mich in München interessiert: Die Musik gehört zur DNA des Bayerischen Staatsorchesters, aber sie wurde schon lange nicht mehr neu einstudiert.

Georg Nigl als Eisenstein in der "Fledermaus".
Georg Nigl als Eisenstein in der "Fledermaus". © Wilfried Hösl

Den Eisenstein singt Georg Nigl. Er war in München schon als Wozzeck zu hören, was eine eher unlustige Oper ist.

Niemand hat Operette von ihm verlangt. Nigl ist wie alle großen tragischen Darsteller auch fantastischer Clown mit einem perfekten Gefühl für Timing. Außerdem ist er ein Wiener. Ich halte es für wichtig, augenzwinkernd auch die weniger sympathischen Seiten Eisensteins zu zeigen, etwa seine Paranoia und seinen cholerischen Charakter. Aber man muss ihn trotzdem mögen.

Was ist für Sie der Kern der Geschichte der "Fledermaus"?

Man geht nicht in die "Fledermaus", um eine Erfahrung wie in "Wozzeck" zu machen. Es soll Unterhaltungstheater sein - befreit von Spießigkeit und für Zuschauer des 21. Jahrhunderts. Das Publikum soll sich beim Verlassen des Theaters besser fühlen als beim Betreten.

Und wie bewirken Sie dieses bessere Gefühl?

Es ist eine Komödie, bei der das Publikum schadenfroh über die Erniedrigung Eisensteins lachen soll. Auf eine solche Idee kann man nur in Wien kommen, der Stadt von Sigmund Freud. Das ist eine Besonderheit dieses Stücks. Niemand lacht über Hanna Glawari oder Danilo in der "Lustigen Witwe". Aber man lacht zweimal über Eisenstein: am Ende des zweiten und dann noch einmal am Ende des dritten Akts. Und dann gibt es noch einen zweiten Punkt.

Der wäre?

Der Champagner. Er ist der Auslöser, man nimmt ihn fast wie eine Droge, man wird durch ihn verwandelt. Bekanntlich war Dionysos nicht nur der Gott des Theaters, sondern auch des Weines - eine geniale Idee der Griechen. Die Party im zweiten Akt kann daher kein Stehempfang in Abendkleidern und im Frack sein, bei dem der Chor mit Plastikgläsern herumsteht. Was soll an diesem Ball so aufregend sein? Bei uns wird es anders, und ich denke, das Publikum wird überrascht sein - hoffentlich.

Warum wird der Prinz Orlofsky von einem Countertenor gesungen?

Jurowski hat an der Komischen Oper Aufführungen mit dem Countertenor Jochen Kowalski dirigiert. Ursprünglich sollte ein hochtalentierter exzentrischer Russe singen, der aber leider absagen musste. Er ist leider erkrankt. Andrew Watts springt für ihn ein. Er kommt als Drag Queen zu der verrückten Party des zweiten Akts. Wenn die Aufführung nach Amsterdam geht, singt dann die Schwester des Dirigenten Lorenzo Viotti - aber mit Bart.

Andrew Watts als Prinz Orlowsky
Andrew Watts als Prinz Orlowsky © Wilfried Hösl

Was machen Sie mit dem Gefängniswärter Frosch?

Ich finde es nicht so lustig, über einen Alkoholiker zu lachen. Die Tradition, aus dem Monolog zeitkritisches Kabarett zu machen, ist vergleichsweise neu. Diesmal wird es das nicht geben. Dafür wird es sechs Frösche geben, ein paar von ihnen tanzen. Vielleicht haben die auch eine musikalische Nummer - wer weiß.

Der Gefängniswärter Frosch hat sich bei Barrie Kosky vervielfältigt.
Der Gefängniswärter Frosch hat sich bei Barrie Kosky vervielfältigt.

Was ist für Sie komisch?

Slapstick hat es im deutschsprachigen Raum schwer. Ich kämpfe dafür, Slapstick und Klamauk als zentrales Element von Komik anzuerkennen. Bei Aristophanes, Georges Feydeau, den Marx Brothers, Charles Chaplin, bei Monty Python's gibt es das auch. Daher lache ich, wenn ich in einer Kritik lese, Kosky habe zu viel Klamauk veranstaltet. Es kann nie genügend Klamauk in einer Komödie geben!

Premiere am Samstag, 23. Dezember, 18 Uhr, ausverkauft. Die Silvestervorstellung ab 22.40 Uhr als zeitversetzter Livestream auf staatsoper.tv und bei Arte

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.