Interview

"Barbier von Sevilla": Komödie mit Unterton

Josef E. Köpplinger über den neuen "Barbier von Sevilla" im Gärtnerplatztheater und das Recycling von Inszenierungen.
von  Robert Braunmüller
Josef E. Köpplinger, geboren 1964 in Hainburg (Niederösterreich) leitet seit 2012 als Intendant das Staatstheater am Gärtnerplatz.
Josef E. Köpplinger, geboren 1964 in Hainburg (Niederösterreich) leitet seit 2012 als Intendant das Staatstheater am Gärtnerplatz. © Robert Brembeck

München - In Tokio, Wien und Nürnberg hat der Intendant den "Barbiere di Siviglia" von Gioachino Rossini bereits inszeniert, außerdem soll die Produktion auch in Barcelona herauskommen.

Inszenierung mit zwei Besetzungen

Ab heute ist Josef E. Köpplingers Inszenierung am Gärtnerplatztheater in zwei Besetzungen zu sehen, Michael Brandstätter dirigiert das coronabedingt leicht reduzierte Orchester.

In der Premiere singt Jennifer O'Loughlin die Rosina, Anna-Katharina Tonauer übernimmt die Rolle in der zweiten Vorstellung.

AZ: Herr Köpplinger, macht der "Barbier" beim vierten Mal überhaupt noch Spaß?
JOSEF E. KÖPPLINGER: Die Aufführung von 2005 in Tokio läuft noch immer - als längstdienende Inszenierung seit Eröffnung des National Theatre. Dann kam die Volksoper in Wien. Vor drei Jahren habe ich dann den "Barbier" noch einmal neu in Nürnberg inszeniert. Letztes Jahr sollte die Produktion in Barcelona Premiere haben, wurde aber auf 2025 verschoben. Davor geht sie noch nach Toulouse.

Wird Ihnen da beim Inszenieren nicht fad?
Das Stück ist schon von der Vorlage her eine Screwball-Comedy mit bösem Unterton. Es macht einen Riesenspaß, weil mich der Mensch interessiert, mit dem ich probe. Dann muss das komische Timing stimmen. Zudem weiß ich nicht mehr, was ich 2005 inszeniert habe - und ohnehin gibt es für einen Regisseur nichts Anstrengenderes als eine Komödie.

Gyula Rab als Almaviva und Matija Meic als Figaro in Gioachino Rossinis Oper "Il barbiere di Siviglia".
Gyula Rab als Almaviva und Matija Meic als Figaro in Gioachino Rossinis Oper "Il barbiere di Siviglia". © Christian P. Zach

"Der Intendant ist am eigenen Haus der billigste Regisseur"

Als Entschädigung zahlen Sie sich aber als Intendant selbst die Gage aus.
Der Intendant ist am eigenen Haus der billigste Regisseur. Ich wollte außerdem in der zu Ende gehenden Saison nur den "Barbiere di Siviglia" machen. "Non(n)sens" war eine Notlösung, für "Mozart muss sterben" zum Abschluss der Spielzeit nehme ich keine Gage. Ich bin zwar der Ansicht, dass Arbeit auch belohnt werden soll, aber ich fände es geschmacklos, mich hier übermäßig zu bereichern. Außerdem bewege ich mich immer noch im Rahmen: Beim Vertragsabschluss waren vom Ministerium drei Inszenierungen pro Saison vorgesehen, die gesondert bezahlt werden, aber so viel Köpplinger finde ich nicht spannend. Eine Inszenierung und eine Koproduktion reichen.

Trotzdem gibt es das Gerücht, dass Sie als inszenierender Intendant mehr verdienen als der Kollege in der Staatsoper.
Ich weiß nicht, wie viel Herr Bachler verdient. Ich finde, Sie sollten sich mehr für die Kunst interessieren. Außerdem glaube ich nicht, dass wir - zumal in pandemischen Zeiten - überbezahlt sind.

Was bringen denn diese Koproduktionen?
Der unbestrittene Vorteil einer Koproduktion bei einem finanziell eng aufgestellten Haus wie dem unseren ist neben der Gewinnung von Werkstättenzeit die Entlastung bei den Produktionskosten. Sie hilft einer künstlerisch hochwertigen Produktion, auch im Ausland gesehen zu werden, und stärkt zudem die europäische Reputation des Gärtnerplatztheaters.

Warum das Stück in der Franco-Ära spielt

Warum spielt Ihre Inszenierung in der Franco-Ära?
Ich habe mich gefragt, in welchem sozialen und politischen System die Geschichte funktioniert, wenn ich am Text bleiben möchte. Außerdem sollte die Inszenierung in einer Zeit spielen, in der das Aufbegehren der Frauen noch riskanter war als heute. Ich kam auf das Franco-Regime, weil am Ende des ersten Akts diese Armee auftritt. Außerdem ist Ambrogio in meiner Inszenierung ein Militarist. Übrigens bleibt schon im Libretto offen, ob Figaro die Soldaten hergebeten oder doch zu viel Radau veranstaltet hat. Und es kommt nicht der Offizier, mit dem er befreundet ist.

Gab es da Rückfragen aus Barcelona?
Nein. Franco tritt ja nicht auf. Es geht mir primär um die Zeit, die 1960er Jahre.

Das zweite Finale ist weniger spektakulär

Es heißt immer wieder, dass der zweite "Barbier"-Akt nicht so gut wie der erste ist. Haben Sie diese Erfahrung auch gemacht?
Das zweite Finale ist, wie in jeder Oper dieser Zeit, nicht so spektakulär wie das erste, in dem die Post abgeht. Unsere beiden Almavivas könnten die Arie kurz vor Schluss zwar singen, aber wir haben sie gestrichen, weil sie die Handlung aufhalten. Diese Arie ist weniger dramaturgisch begründet, sondern vor allem für den Tenor der Ausgleich für die beiden Arien der Rosina.

Muss man beim zweiten Akt ein wenig nachhelfen?
Wenn das Gewitter wie im Libretto vor dem Zimmer niedergeht, macht höchstens jemand das Fenster zu. Bei uns kommt alles zusammen: eine Frau, die von Almaviva schwanger ist, Priester, die ein von Berta betriebenes Bordell besuchen - fast in der Art eines Films von Buster Keaton, aber natürlich in Farbe. Danach könnte alles gut ausgehen.

Tut es das nicht?
Ich habe da schon einige Zweifel. Es ist eine Geldheirat - was im Text auch angedeutet wird. Wie es weitergeht, wissen wir ja aus "Figaros Hochzeit".

Rossinis "Barbier von Sevilla" wurde zwar erst nach Mozarts "Figaros Hochzeit" komponiert, erzählt aber die Vorgeschichte der Ehe zwischen dem Grafen Almaviva und der Gräfin. Ist das für Sie wichtig?
Ich habe die ganze Figaro-Trilogie von Beaumarchais gelesen. Der Autor war in der vorrevolutionären Zeit vor 1789 ein wenig wetterwendisch, da hatten andere Autoren eine klarere Haltung. Beaumarchais hat gesagt: "Hätte ich gekonnt, wie ich gewollt hätte, hätte ich Figaro ein Messer in die Hand gegeben, damit er dem Grafen die Gurgel durchschneidet". Das haben dann Ödön von Horváth in "Figaro lässt sich scheiden" und Peter Turrini in "Der tollste Tag" eingelöst. Das Schlussterzett ist die einzige romantische Sequenz in dieser Oper. Wenn man hier einen Sprung in den zweiten Akt von Mozarts "Die Hochzeit des Figaro" machen würde, in dem die Gräfin ein halbes Jahr später "Porgi amor" singt, steht da eine junge, verlassene Frau auf der Bühne, die von ihrem übergriffigen Vormund wegwollte und nun in der Einsamkeit endet.

Sie bringen die Oper in zwei Besetzungen heraus: mit einer Koloratursopranistin und einer - historisch richtigen - Mezzosopranistin als Rosina. Sind das nicht zwei verschiedene Figuren?
Ich würde mich da nicht musikwissenschaftlich festbeißen. Ich bin mit Edita Gruberova als Rosina groß geworden, aber auch damals war die Rolle an der Wiener Staatsoper auch mit der Mezzosopranistin Rohangiz Yachmi besetzt. Bei uns ist das primär eine Sache der Ensemblepflege durch die Besetzung von Fachpartien.

Gärtnerplatztheater, Premiere heute, 19.30 Uhr. Weitere Vorstellungen am 10., 18., 22., 24. und 26. Juli. Karten unter www.gaertnerplatztheater.de

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